Blick hinter die Kulissen: Fünf Fakten zum Triebwerk

Fliegen gehört für viele von uns zum Alltag – doch was steckt eigentlich hinter der beeindruckenden Technik, die uns sicher und schnell durch die Lüfte trägt? Eine entscheidende Rolle spielen die Triebwerke, die Flugzeuge nicht nur abheben lassen, sondern sie auch mit enormer Präzision in der Luft halten. Wie genau das funktioniert, haben uns die Experten Michael Schib und Matthias Schmidhauser von der Technikabteilung der SWISS erklärt und spannende Einblicke in die Welt der Turbinen und Hochleistungstechnologie gewährt.

#1 Wie funktioniert eigentlich ein Triebwerk?

·       Zuerst wird Luft durch den grossen Einlass des Triebwerks angesaugt. Ein Teil dieser Luft wird über verschiedene Stufen im Kerntriebwerk mittels Verdichterschaufeln komprimiert und der Druck der Luft erhöht sich dabei um ein Vielfaches.

·       Die verdichtete Luft wird anschliessend in der Brennkammer mit Treibstoff vermischt und kontinuierlich verbrannt. Die dabei erzeugten heissen Gase (bis zu ca. 1'500 °C) treiben eine Turbine an, welche wiederum den vorgelagerten Verdichter und die charakteristischen Fanschaufeln antreibt.

·       Die noch immer heisse Luft verlässt nun die Turbine mit noch leicht erhöhtem Druck. Die Luft wird im umgangssprachlich «Düse» genannten Bauteil beschleunigt und tritt aus dem Triebwerk aus. Es ist dieser letzte Beschleunigungsschritt, welcher den Schub produziert und das Triebwerk und somit das Flugzeug vorwärtstreibt.

·       Nennenswert ist, dass nur ein kleiner Teil der angesogenen Luft, (10 bis 20 Prozent je nach Triebwerktyp), im Kerntriebwerk der Verbrennung unterzogen wird. Der Löwenanteil der Luft wird durch den sogenannten Mantelstrom um das Kerntriebwerk herumgeleitet. Die Luft des Mantelstroms wird durch die komplexen Fanschaufeln verdichtet und anschliessend ebenfalls in einer «Düse» beschleunigt. Die Fanschaufeln tragen somit zum grössten Teil des Schubs bei. 

#2 Gross, grösser, Triebwerk! 

Bevor du in das Flugzeug steigst, hast du die Chance, die grossen Triebwerke aus verschiedenen Winkeln zu sehen. Die grössten Triebwerke in der SWISS Flotte hat eindeutig die Boeing 777-300ER. «Wir sprechen hier von einem Durchmesser von 3,20 Meter, einer Länge von gut 7,3 Meter und einem Gewicht von ungefähr 8,7 Tonnen», erklärt Matthias Schmidhauser, Head of MRO* Service Procurement bei SWISS. Mit ihrer imposanten Grösse gehen auch beeindruckende Leistungen einher, was besonders für Langstreckenflüge und grosse Passagierkapazitäten von Vorteil ist. «Die Schubkraft des Triebwerkes einer Boeing 777-300ER beträgt 52 Tonnen», erklärt Michael Schib, Head of Center of Competence Engines bei SWISS.

*MRO steht für Maintenance, Repair, and Overhaul.

#3 Teuer, aber es lohnt sich

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Triebwerke gehören zu den wichtigsten und teuersten Komponenten am Flugzeug.

Eines ist sicher: Ein neues Triebwerk kostet viel Geld. «Der Preis kann, je nach Typ, im mittleren zweistelligen Millionenbereich liegen», so Matthias Schmidhauser. Dieser Betrag gilt aber nur, wenn das Triebwerk einzeln gekauft wird und nicht als Teil eines kompletten Flugzeugkaufs. Schmidhauser betont zudem: «Das Triebwerk ist die wichtigste und teuerste Komponente am Flugzeug.»

Ein Triebwerk ist aber auch langlebig. «Die Lebensdauer eines Triebwerks kann bis zu 40 Jahre betragen», so Schib. Allerdings werden während geplanten Wartungsarbeiten in den Werkstätten regelmässig Teile ausgewechselt, was wiederum mit Kosten verbunden ist. 

#4 So viel Handarbeit steckt da drin

Trotz der Fortschritte in der Automatisierung spielt Handarbeit in der Flugzeugbranche, insbesondere beim Zusammen- und Auseinanderbauen von Triebwerken, eine entscheidende Rolle. «Während eines geplanten Reparaturaufenthalts in der Werkstatt kommen Maschinen zum Einsatz, welche Bauteile vermessen, kalibrieren, drehen und schleifen. Aber ohne Menschen geht es nicht», betont Matthias Schmidhauser. Für die komplette Zerlegung eines mittelgrossen Triebwerks arbeiten mindestens vier Personen über sechs bis acht Schichten hinweg

#5 Nachhaltigkeit durch technologischen Fortschritt

Die Technologie hinter einem Triebwerk ist ausgeklügelt und wird kontinuierlich verbessert mit dem Ziel den Kraftstoffverbrauch zu senken und Emissionen zu reduzieren. Neue Materialien wie beispielweise Verbundwerkstoffe oder spezielle Metalllegierungen verringern das Gewicht und machen die Triebwerke hitzebeständiger und langlebiger. «Auch bestehende Triebwerktypen werden über die Dauer ihres Einsatzes bei den Fluggesellschaften laufend weiterentwickelt», erklärt Michael Schib.  Triebwerke sind zudem mit zahlreichen Sensoren ausgestattet, die eine vorausschauende Wartung ermöglichen. Dies verlängert die Lebensdauer der Triebwerke und verringert den Verbrauch von Ersatzteilen, was indirekt zur Ressourcenschonung beiträgt.

Text: Anja Suter

Fotos: SWISS

Publiziert: 19.11.2024