Es gibt ein schwedisches Wort, dass sich jeder Übersetzung entzieht: „lagom“. Der Begriff steht für angemessen, ausgeglichen, nicht zu viel und nicht zu wenig, und umschreibt die lässige und überaus sympathische Entspanntheit der Schweden. Nicht die der Göteborger allerdings, denn die möchten nicht „lagom“ sein. Sondern umweltbewusst, und zwar lieber zu viel als zu wenig.
In der 570.000-Einwohner-Stadt sind 93 Prozent des Hotels grün-zertifiziert, 97 Prozent der öffentlichen Verkehrsmittel fahren mit erneuerbarer Energie, zahlreiche Restaurants tragen Auszeichnungen mit Umweltlabeln und verwenden vorwiegend nachhaltig erzeugte Produkte aus der Region. Bis zum Jahr 2030 soll Göteborg fossil-unabhängig sein – so der ambitionierte Plan. Dabei war die ehemalige Industriehafenstadt an der schönen schwedischen Westküste nicht immer so „grün“. Noch Mitte der 1980er-Jahre galt Göteborg als heruntergekommen und dreckig, „a courtyard to hell“, wie es die damalige Umweltministerin Brigitta Dahl formulierte.
Die meisten Einheimischen ziehen es vor, mit dem Fahrrad durch die gepflasterten Strassen der stimmungsvollen Altstadt von Haga zu fahren.
Und heute? Die an beiden Ufern des Göta-Fluss liegende Stadt wird von mehreren Kanälen durchzogen, was ihr den Spitznamen Klein-Amsterdam eingebracht hat. Um von A nach B zu kommen, kann man die Fähre nehmen oder die oft auf grasgesäumten Gleisen fahrende Strassenbahn. Doch die meisten Einheimischen bevorzugen das Fahrrad, um die kopfsteingepflasterten Gassen des stimmungsvollen Altstadtviertel Haga zu durchqueren. Oder um sich mit Freunden in einem vielen der hippen Cafés zu treffen, die zum Fair-Trade-Cappuccino ein halbes Dutzend veganer Milch-Alternativen anbieten.
„Unser Ziel ist es, eine Stadt zu schaffen, in der man gut leben kann, die ein breit gefächertes Freizeitangebot bietet und sowohl die Umwelt als auch die Menschen berücksichtigt“, sagt Katarina Torstensson, Nachhaltigkeitsbeauftragte von Göteborg & Co., der offiziellen Tourismusorganisation der Stadt. Das sollte man sich ansehen!
Shopping mit gutem Gewissen
Nudie Jeans: Göteborgs erstes und bekanntestes Geschäft für ethisch produzierte Mode wurde 2001 von Maria Erixon gegründet und ist inzwischen ein Welthit. Nudie Jeans bestehen zu 100 Prozent aus Bio-Baumwolle, jedes Paar wird mit dem Versprechen einer kostenlosen Reparatur verkauft oder zurückgenommen, um als Second-Hand-Produkt weiterverkauft oder an das Nudie Jeans Reuse-Programm übergeben zu werden. 2022 wurden 65.386 Paare repariert und 20.772 gesammelt. nudiejeans.com
© nudiejeans.com
Icebug: Das lokale Schuhunternehmen entstand 2001 durch das Mutter-Sohn-Team Eliza Törnqvist und David Ekelund, mit dem Ziel, Outdoor- und Sportschuhe zu produzieren, die die Füsse nicht nur warm und trocken halten, sondern auch Halt bei Glätte geben und cool aussehen. Die eingesetzten Materialien sind so umweltfreundlich wie irgend möglich – Icebug wurde 2019 zum ersten Schuhunternehmen weltweit, das klimapositiv arbeitet. icebug.com
© icebug.com
Thrive: Fair, vegan, ökologisch – Thrive gilt als Skandinaviens führender Concept Store für Bio-Kleidung. Geboten wird eine Auswahl an Unisex-Modellen von nachhaltig arbeitenden Designern sowie Accessoires aus veganen Materialien. Auch der Laden ist komplett mit recycelten und umweltfreundlichen Materialien gestaltet und genauso schick und trendbewusst wie die Mode, die hier verkauft wird. thrivestore.se
© thrivestore.se
Zwischen Architektur-Highlights und malerischen Gärten
Kuggen: Arbeitsplatz oder Kunstprojekt? Der 2011 fertiggestellte Turm ist Teil der Chalmers University, er hat die Form von übereinander gestapelten Zahnrädern und eine Fassade aus Terrakottaplatten, die je nach Blickwinkel, Tageszeit und Wetterlage ihren Farbton ändern. Die übereinander ragenden Geschosse sorgen für Schatten, Solarzellen, die dem Stand der Sonne folgen, für Energie. Das Erdgeschoss ist öffentlich zugänglich. Lindholmsplatsen 1
© Superstudio D&D
Sauna im Jubileumsparken: Ein Highlight für Nachhaltigkeits-Fans ist der anlässlich des 400. Stadtgeburtstags errichtete Jubiläumspark. Er steht auf einem ehemaligen Industriegelände und verfügt über einen urbanen Gemüsegarten, Sandstrände, einen schwimmenden Pool und einen Kinderspielplatz. Als Top-Attraktion aber gilt die riesige Sauna, die auf Stelzen im Hafenbecken steht. Ihre Aussenwände sind aus gebrauchten Wellblechplatten, die Innenräume mit Holzschindeln verkleidet, die Umkleidekabinen aus 12.000 recycelten Flaschen gebaut. Die Sauna wird derzeit renoviert und zum Jahresende neu eröffnet, die Benutzung ist kostenlos. Frihamnen 7
© Peter Kvarnström
Göteborgs Botanischer: Garten ist mit rund 175 Hektar Fläche und 16.000 Pflanzensorten einer der grössten seiner Art in Europa und hat im Laufe der Jahre viele Auszeichnungen erhalten. Er zählt zu den Besucherattraktionen der Stadt und bietet Führungen, Ausstellungen und Fragestunden (z. B. eine Pilzberatung im Herbst). Besonders beliebt sind der schön gestaltete Steingarten mit einem Wasserfall, unter dem man hindurchgehen kann, und das Rhododendren-Tal mit über 80 Sorten, von denen selbst im Dezember eine blüht. botaniska.se
© botaniska.se
Von Fairtrade-Cappuccino bis zum Stadtwein
Taverna Averna: Bistro, Bar, Kunst und Kultur – in der Taverna Averna gibt es nicht nur die besten Pizzen der Stadt, sondern auch oft etwas Interessantes zu sehen. Fast unsichtbar, aber sehr wohl vorhanden ist der Umweltaspekt: Das Restaurant kooperiert mit „Generation Waste“, um Lebensmittelabfälle zu minimalisieren, verwendet ausschliesslich erneuerbaren Strom, bietet nur ökologisch produzierte Weine sowie Fische und Meeresfrüchte aus nachhaltiger Fischerei an. tavernaaverna.se
© tavernaaverna.se
Koka: Lässig, unkompliziert, aber mit Michelin-Stern – im Koka richtet sich die Speisekarte nach den Jahreszeiten und nach den Produkten, die in Westschweden gerade Saison haben. Auf Fleisch wird verzichtet, dafür gibt es leckere Meeresfrüchte wie etwa Jakobsmuscheln mit Holunderblüten oder Scampi auf Mönchsbart. Dazu: Meist natürliche Weine und sehr freundlicher Service. restaurangkoka.se
© Jean Paul Bastians
Cum Pane: Die wohl beste Ökobäckerei der Stadt wird von der deutschen Auswanderin Christiane Edberg geführt. Ihre Kunden kommen wegen des knusprigen Sauerteigbrots, der fluffigen Windbeutel und den köstlichen Zimtschnecken, die man auch vor Ort mit einem Kaffee verzehren kann – vorausgesetzt eine der wenigen Sitzgelegenheiten ist frei. cumpane.coop
© cumpane.coop
Gaumenfreuden aus der grünen Stadt
Wine Mechanics: Das erste Stadtweingut Göteborgs befindet sich in einem Industriegebiet der Stadt und importiert Trauben aus Deutschland und Frankreich, um sie vor Ort in vegane Weine zu verarbeiten. Die hohen, lichtdurchfluteten Hallen sind ein beliebter Treffpunkt, um ein paar Gläser Wein zu trinken, aber auch um dazu etwas zu essen – etwa das leckere hausgemachte Hummus oder ein Dutzend Austern. winemechanics.se
© winemechanics.se
da Matteo: Die Kaffeebohnen von Fair-Trade-Händlern werden in der eigenen Rösterei über dem Café geröstet, auch Brot und Gebäck entstehen hier. Seit der Eröffnung des ersten Cafés im Jahr 2003 ist aus dem ehemaligen Geheimtipp ein Hotspot geworden, an dem sich ganz Göteborg trifft. Nicht nur, weil da Matteo ein so cooler Ort ist, sondern weil alle Produkte nachhaltig und sehr gut sind. Es gibt eine grosse Auswahl an Kaffees - von leicht geröstet bis klassisch – und eine ebenso grosse Auswahl an veganen Milchoptionen dazu. damatteo.se
© Tina Starfen
Vega Bryggeri: Viele der alten Fabrikgebäude im Stadtteil Ringön wurden in Mikrobrauereien verwandelt, die nicht nur Craft Beer produzieren, sondern auch als Bar funktionieren. Vega Bryggeri pflegt einerseits alte Traditionen, ist aber auch für kreative Geschmacksrichtungen und stilvolle Etiketten bekannt. Die Brauanlage wurde von einem lokalen Schweisser gebaut, das Unternehmen kümmert sich selbst um seine Logistik, um die Umwelt zu schonen, zur Brauerei gehören ein sympathisches Restaurant mit Terrasse und Musik, in dem man die köstlichen Craft-Biere probieren kann. vegabryggeri.se
© vegabryggeri.se
Schlafen geht auch umweltbewusst
Upper House: Das neueste Fünf-Sterne-Hotel der Stadt, das mehrere Etagen des kastenförmigen Glasriesen Gothia Tower 2 belegt, gilt als echte Öko-Herberge. Von aussen wirkt es zwar wie ein modernes Bürogebäude, im Inneren aber tummeln sich stylische junge Schweden und Auswanderer, die die Bars, Cafés und das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurant besuchen und die Aussicht geniessen. Das Hotel wird zu 100 Prozent mit Windkraft betrieben, recycelt 95 Prozent seiner Abfälle und verfügt über einen Dachgarten mit Vogelhaus und Bienenstock. DZ ab 3100 SEK, en.upperhouse.se
© upperhouse.se
Comfort Hotel Göteborg: 2019 erhielt das 289-Zimmer-Haus eine Auszeichnung als das umweltfreundlichste und nachhaltigste der grossen Strawberry-Hotelguppe, jetzt möchte es zum nachhaltigsten Hotel in Göteborg und in ganz Schweden zu werden. Es residiert in einem ikonischen Gebäude direkt am Hafen und durchläuft gerade eine Plastikreform: Sämtliches Einwegplastik wurde entfernt, Strohhalme und Deckel von Kaffeebechern sind nun aus Pappe, Zahnbürsten aus Bambus usw. gefertigt. Ab 890 SEK, strawberryhotels.com
© Inger Marie Grini
Clairon Hotel Post: 540 modern gestaltete Zimmer und Suiten in einem majestätischen alten Postgebäude mitten im Stadtzentrum. Das Hotel baut eigenes Bio-Gemüse auf dem Dach an, das dann in der Küche es Gourmetrestaurants verarbeitet wird. Der gesamte Strom im Hotel ist erneuerbar und es gibt ein System zur Reduzierung des Wasserverbrauchs. Besonders schön: die Dachterrasse mit Pool und Aussicht. Zimmer gibt es ab 1332 SEK. clarionpost.se
© clarionpost.se
Publikations Datum: 20.10.2023
Text: Patricia Engelhorn