Am Anfang war das Feuer. Und der Wind. Und ein unglückseliger Frühlingstag auf Ibiza, der das Leben von Peter und Tino Lehner komplett verändern sollte: Im Morna Valley, einem fruchtbaren, lieblichen Tal im Osten der Insel, hantierte ein Bienenzüchter unsorgfältig mit seinem Räuchergerät und verursachte damit angeblich den schrecklichsten Brand, den die Schöne im Mittelmeer je gesehen hat. Innert einem Tag und einer Nacht vernichtete das Flammeninferno über 1500 Hektaren Pinienwald bis zur Küste hin. Erst das Meer setzte dem Wüten ein Ende. «Fängt eine Pinie Feuer, werden ihre Zapfen wie Granaten durch die Luft geschleudert», erzählt Peter Lehner jetzt, acht Jahre später. «Unsere Finca befand sich mittendrin.»
«Viele wollen, wie wir, der Insel etwas zurückgeben und in Nachhaltigkeit investieren»
Mit seinem jüngeren Bruder Tino bewirtschaftet der Unternehmer das Weingut Sa Tanca des Cotxu nahe bei Sant Juan de Labritja im Norden der In-sel. Vor über 20 Jahren verliebten sich die beiden in das abgeschiedene Grundstück, inzwischen mit seinen 320 Metern über Meer das höchstgelegene Weingut Ibizas. Von ihrem Hügel aus kann man die Sonne im Osten aus dem Meer steigen und im Westen wieder darin versinken sehen. Ein Paradies der Ruhe und Einsamkeit, weit entfernt von den lärmenden «Bum-bum-Partys», welche die Insel weltberühmt gemacht haben. Nach Ibiza zog es die Brüder allerdings schon als Teenager durchaus der grandiosen Nachtclubs und des abenteuerlichen, legeren Lebensstils wegen: Freiheit gepaart mit südländischem Flair, Freaks aus aller Welt und Freunde fanden sie hier; «Ibiza macht süchtig», sagt Tino, «wie ein Virus. Wen es packt, der wird es ein Leben lang nicht mehr los.»
Wie Phönix aus der Asche
Eine Woche nach dem grossen Brand von 2011 flog Peter auf die Insel, zwischen düsterer Vor-hnung und banger Hoffnung schwankend. «Stinkender Rauch lag in der Luft, die grünen Hügel rundherum verkohlt, aber unsere Finca samt Olivenhain war – den Löschflugzeugen sei Dank – verschont geblieben.» Als Peter im kom-lett durchnässten, aber unversehrten Zuhause ankam, war die Überraschung Gross: Die Finca lag nicht mehr umgeben von Wald, leuchtend weiss thronte sie über alten Mauern und unzähligen brandgeschwärzten Terrassen.
Den Brüdern war sofort klar, dass sie das historische Erbe von Sa Tanca des Cotxu wiederaufleben lassen wollten. Sie säuberten Felder, renovierten Steinmauern, aber womit sollten sie das neugewonnene Land bepflanzen? Die kargen Böden brauchten Nahrung. Zwei Jahre lang säten sie zur Freude der wilden Kaninchen saftiges Getreide an, als Gründünger für ihr zukünftiges Projekt. Inzwischen standen die beiden Weinliebhaber und passionierten Gastronomen – die Lehners besitzen in Engelberg das Hotel Alpenclub und die dazugehörenden Restaurants – mit Globalwine in Kontakt. Die Abteilung «Winemaking Consulting» der grossen Weinhandelsfirma betreut in diversen Ländern Weinbauprojekte und stellt Winzern erfahrene Önologen zur Seite. «Zusammen entschieden wir uns für Rebsorten, die in diesen Breiten-graden qualitativ hochstehende Trauben her-vorbringen», sagt Peter, «wir haben durchaus den Anspruch, einen exquisiten Tropfen zu er-zeugen, ähnlich den Weinen aus dem Vallée du Rhône, die wir sehr schätzen, wie zum Beispiel den renommierten Châteauneuf-du-Pape.»
Bioweinbau liegt auf Ibiza im Trend
Auf 5 Hektaren wachsen inzwischen Olivenbäume der Sorten Arbequina und Picual sowie rund 6000 Reben, ein Fünftel davon Cabernet und je zwei Fünftel Syrah und Monastrell. Gehegt und gepflegt wird der Rebberg von einem erdverbundenen einheimischen Bauern, gekeltert wird in der Bodega Sa Cova. Bioweinbau liegt auf Ibiza im Trend, «viele wollen wie wir der Insel etwas zurückgeben und in Nachhaltigkeit investieren», erzählt Peter. Strom generieren sie aus Sonnenenergie, Wasser wird von den Dächern und Terrassen der Finca in Zisternen aufgefangen sowie aus der eigenen Bohrung gepumpt.
Nach mehreren Jahren harter Arbeit und beträchtlichen Investitionen ist der gemäss Weinexperten «runde, balancierte, nach Erdbeerkompott, mediterranen Gewürzen und weissem Pfeffer» schmeckende «Blacknose 2017» nun der erste Wein von Sa Roca des Falcó SL, so der offizielle Firmenname aller landwirtschaftlichen Aktivitäten der Lehner-Brüder. Den Namen «Blacknose» wählten sie übrigens zu Ehren der gleichnamigen putzigen Schwarznasenschafe ihrer Heimat, dem Walliser Lötschental. Und vielleicht auch ein wenig als Erinnerung an die grosse Brandkatastrophe, die im eigenen kleinen, exzellenten Weinbauernbetrieb nun ein wunderbares Ende fand.
Information
Seit 30 Jahren ist Ibiza für Peter und Tino Lehner eine zweite Heimat. Mit ihrem Biolandwirtschaftsbetrieb Sa Roca des Falcó SL produzieren die Schweizer im Norden der Insel Wein, Honig und Olivenöl. www.blacknose.net
Text: Daniela Fabian
Fotos: Ana Lui