Marc, du stammst aus einer Musikerfamilie, welches sind deine ersten musikalischen Erinnerungen?
Das erste Mal Bühnenluft geschnuppert habe ich anscheinend, als meine Mutter, hochschwanger mit mir, im Zürcher Volkshaus auf die Bühne geholt wurde, um bei einem Jimmy-Cliff-Konzert Perkussion zu spielen. Da war wohl schon klar, aus dem Kind muss ein Musiker werden. Meine ersten eigenen Erinnerungen stammen von den grossen brasilianischen Festen, die mein Schweizer Vater und meine brasilianische Mutter früher veranstaltet haben. Bereits als Dreijähriger war ich mit auf der Bühne, sang und spielte Perkussion.
Wolltest du schon immer Profimusiker werden?
Als Kind war mein erster Wunsch, Papst zu werden. Mir wurde aber schnell klargemacht, dass ich weder katholisch sei noch heiraten könne als Papst. Da war mein nächster Plan, Musiker zu werden.
Für dein Album «Way Back Home» hast du die Perkussion in Rio aufgenommen. Wie würdest du das Album beschreiben?
Ich wollte ein Album, das eine gewisse Boheme versprüht, wie bei einem Sommerfest, an dem Freunde und Familie zusammenkommen, draussen feiern und tanzen. Die südamerikanischen Perkussionsinstrumente geben dabei die nötige Würze. Alles in allem ist es ein kosmopolitisches Album, das brasilianische Rhythmen mit europäischem Pop mischt, eben ein Abbild meiner Persönlichkeit. Ich selbst bin eine Fusion zweier Kontinente und Kulturen, zwischen denen ich tanze.
Wie entscheidest du, in welcher Sprache – Deutsch oder Portugiesisch – du singst? Hast du eine Herzenssprache?
Meistens ist es der Song, der die Sprache wählt. Wenn ich beginne, zu einer neuen Melodie zu singen, ergibt sich die Sprache automatisch, ohne dass ich nachdenken muss. Portugiesisch ist mir allerdings schon sehr nah. Die brasilianische Sprache ist wie auch die brasilianische Kultur sehr blumig, weich und warm. Deutsch ist viel exakter und härter. Je nach Song ist es einfacher, in der einen oder der anderen Sprache zu singen.
Im Titelsong von «Way Back Home» besingst du «Saudade», Portugiesisch für Heimweh. Was verbindest du mit diesem Gefühl?
Saudade ist ein wunderschönes, vielschichtiges Wort. Es bedeutet nicht nur Heimweh, sondern auch Fernweh, Sehnsucht, Weltschmerz. Es ist ein uraltes und zugleich modernes Phänomen, denn es liegt in der Natur des Menschen, dieses Gefühl zu suchen. In der Heimat sehnt man sich nach der Ferne, in der Ferne nach der Heimat. Als Musiker, der ständig unterwegs ist, bin ich dem Gefühl immer ausgesetzt. Ich muss das Gefühl zulassen, aber auch einfach nur im Moment sein.
Also wenn du singst «Way back home» …
… dann ist das kein One-Way Ticket, sondern hin und zurück! Daheim muss man in sich selbst finden. In einem anderen Song des Albums singe ich: «Dihei isch det, wo mis Herz schlaht.» Ich habe über die Jahre gemerkt, dass Heimat ein Gefühl ist, kein Ort. Die Menschen, die mir wichtig sind, sind ein sehr grosser Teil davon.
«Dihei isch det, wo mis Herz schlaht.»
Musiker
Wie bekannt bist du in Brasilien?
Ich arbeite daran (lacht) – und es liegt noch einiges an Arbeit vor mir, denn es leben über 200 Millionen Menschen in Brasilien. Aber es ist schon ein Herzenswunsch von mir, meine Musik auch in meine zweite Heimat zu bringen!
Welche Frage sollte man dir zum Schluss noch stellen?
Wenn du etwas über einen Musiker erfahren willst, hör seine Musik! Die gibt so vieles preis, das man mit Fragen nie herausfinden würde. Meine Musik ist sehr persönlich und aufrichtig. Der Schleier der Fiktion rettet uns Künstler allerdings davor, ganz nackt vor den Leuten zu stehen; nicht alles, was ich in meinen Songtexten erzähle, habe ich tatsächlich selbst so erlebt, aber ich habe alles gesehen, beobachtet und kann es nachempfinden. Manchmal schreibe ich Musik auch so offen, dass sie erst komplett wird, wenn der Zuhörer seine Fantasie braucht, um die Geschichte selbst zu beenden.·
Information
Marc Sway ist der Sohn einer brasilianischen Perkussionistin und eines Schweizer Rocksängers. Das multikulturelle und kreative Umfeld, in dem er aufwuchs, prägte sein Schaffen massgeblich. Mit 16 Jahren trat Marc mit Julinho Martins am Montreux Jazz Festival auf und mit 23 erspielte er seinen ersten Plattenvertrag. Seither sind zahlreiche weitere Alben erschienen. Mit dem Song «I Can See the World» steuerte er 2014 den offiziellen Schweizer Fussball-WM-Soundtrack bei, und 2016 vertrat er die Schweiz als Kulturbotschafter an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro.
Interview: Sabina Diethelm
Photos: Tina Sturzenegger