Joel, wir sitzen im Kino, in dem dein Film «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» am längsten in der Schweiz gespielt wurde – ein ganzes Jahr lang. Ein enorm erfolgreicher Film, für den du mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnet worden und sogar für die Schweiz ins Oscarrennen 2020 gegangen bist.
Ich weiss! Und hier spielte sich auch eine lustige Geschichte aus meinem Privatleben ab. Mein vierjähriger Neffe wohnt gleich in der Nähe und entdeckte eines Tages seinen Onkel auf einem der Plakate, wusste aber nicht, was das sollte. Er ging dann einfach rein und fragte das Personal, was ich denn da mache. Mein Vater, der mit ihm unterwegs war, klärte die Situation und konnte für ihn mein «Wolkenbruch»-Poster organisieren. Das hängt jetzt in seinem Zimmer.
Der Film wurde ja auch in deiner Heimatstadt Zürich gedreht. Wie war das?
Es ist sicher schwieriger, sich abzugrenzen, wenn man zu Hause dreht. Abends auch mal «nein» zu einer Geburtstagsfeier zu sagen, wenn man einen extrem langen Drehtag hatte. Aber es war auch schön – meine Eltern kamen zum Beispiel am Set vorbei. Einige Male habe ich sogar Freunden zugewinkt, die mich allerdings in meinem Kostüm nicht erkannt haben.

Ansonsten drehst du aber auf der ganzen Welt. Hast du einen Lieblingsdrehort?
Schwierig, denn es gibt ganz viele. Das Schöne ist, dass man beim Drehen einen ganz anderen Zugang zu den Orten bekommt und alles relativ schnell kennenlernt, weil man mit Einheimischen zusammenarbeitet – seien das Fahrer, Guides oder Menschen, die für einen die Strassen sperren. Ich hatte zum Beispiel alles andere als Lust, nach Ibiza zu gehen, habe dann aber eine wunderschöne Insel entdeckt. Es gibt aber natürlich auch Orte, bei denen man froh ist, wieder nach Hause gehen zu können.
Du hast auch drei Jahre in Berlin gewohnt, einer Stadt mit fast zehnmal so vielen Einwohnern wie Zürich.
Das stimmt. Obwohl Zürich und Berlin kulturell gar nicht so weit auseinanderliegen, herrschen doch sehr verschiedene Mentalitäten. In Berlin kommt man an und hat das Gefühl, die ganze Welt vor sich zu haben. Es ist schnell, laut, hässlich, dreckig, aber auch ehrlich und direkt. Aber ich mag auch das Provinzielle an Zürich und der Schweiz allgemein, das ist irgendwie schön. Das Kleine und auch das Langsame. Beides hat seinen Reiz, deswegen habe ich mich immer wieder auf beide Städte gefreut.
«Wenn man in Berlin ankommt, hat man das Gefühl, die ganze Welt vor sich zu haben.»
Schweizer Schauspieler
Auch wenn du heute nicht mehr hin- und herpendelst, bist du beruflich immer noch viel unterwegs. Worauf achtest du beim Reisen?
Ich habe angefangen, gewisse Routinen zu entwickeln – ich weiss mittlerweile genau, wo ich mir am Flughafen Zürich mein Sandwich und meinen Kaffee hole, und schätze die kurzen Wege und Wartezeiten. Im Flugzeug schaue ich immer, dass ich entweder ganz hinten oder ganz vorne sitze. Das erleichtert mir das Ein- und Aussteigen. Wenn ich sehr müde bin, sitze ich am Fenster, weil ich sonst an der Schulter meines Nachbarn einschlafe.
Du hast schon mit grossen Namen aus Hollywood wie Rami Malek gedreht – wie war das?
Das ist manchmal schon witzig! Viele Leute kenne ich ja selbst nur aus dem Fernsehen. Aber die Serien «Mr. Robot» mit Rami Malek und «Sons of Anarchy» mit Charlie Hunnam hatte ich zum Beispiel nie gesehen und ich hatte deshalb keine Ahnung, was für Superstars die beiden sind, als ich mit ihnen für den Film «Papillon» vor der Kamera stand. Das realisierte ich dann erst an der Oscarverleihung 2019 so richtig!
Imponiert dir das auch irgendwie?
Natürlich, denn es ist einem immer bewusst, in welchem Film oder welcher Serie man die Kollegen gesehen hat. Bei den Dreharbeiten zu «Monuments Men» mit George Clooney schwirrte mir beispielsweise ständig der Nespresso-Werbespruch «What else?» im Kopf herum. Aber nach einer Weile redet man dann ganz normal über das Drehbuch, diskutiert Szenen – wie in jeder normalen Arbeitsverbindung.
Letzte Frage: Was dürfen wir künftig von dir erwarten?
Da wäre der Film «Adventures of a Mathematician», in dem es um die Entwicklung der Wasserstoffbombe am Los Alamos Laboratory geht. Ich spiele den Physiker Edward Teller, der zu sammen mit dem Mathematiker Stanislaw Ulam die Wasserstoffbombe erfunden hat. Ein hochkomplexes Thema, dabei hatte mein Mathelehrer immer gesagt, er würde besser keine Note in mein Zeugnis schreiben. Und dann kommen noch der Science-Fiction-Film «Haven: Above Sky», die deutsch-schweizerische Koproduktion «Stürm: Bis wir tot sind oder frei» und der dritte Teil von «Kingsman». Allerdings darf ich noch nicht verraten, welche Rolle ich in Letzterem spiele.

Information
Joel Basman wurde am 23. Januar 1990 als Sohn eines jüdischen Israelis und einer katholischen Schweizerin in Zürich geboren. Als 14-Jähriger ergatterte er eine Rolle in der Schweizer TV-Soap «Lüthi und Blanc», in der er zwei Jahre lang mitspielte. Anschliessend besuchte er die European Film Actor School in Zürich und wurde 2008 mit dem europäischen Shooting Star Award ausgezeichnet. Seitdem drehte der Schauspieler zahlreiche Kino- und Fernsehfilme und ist zudem seit 2013 als Modedesigner tätig.
Text: Verena Edinger
Fotos: Tina Sturzenegger