Ein rauer Wind weht über das Château Freiheim im Mösli. Doch auch der vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass da noch etwas anderes in der Luft liegt. Ein feiner Duft nach gebranntem Schnaps steigt einem in die Nase. Bei der Distillerie Studer brennt es. Wie fast jeden Tag seit über 130 Jahren. In dieser langen Zeit ist viel passiert. Und auch heute noch gehören Veränderungen zum Alltag. Denn mit dem gesellschaftlichen Wandel verändern sich auch die Trinkgewohnheiten. Waren es zu Beginn vorab Liköre und Obstbrände, die in den fünf Brennöfen mit eigenem Quellwasser destilliert wurden, sind heute neben den «Vieilles» (Prune, Poire Williams und Abricot) Gin, Rum, Wodka und Absinth die Aushängeschilder des traditionsreichen Familienunternehmens.
Das Erstaunliche: Die Rezepturen für diese Destillate müssen bei den Studers nicht etwa neu erfunden werden. «Der grösste Schatz in unserem Hause ist ein dickes Buch mit Hunderten von Originalrezepturen aus über 130 Jahren», erklärt Ivano Friedli-Studer. Rezepturen, auf die man heute vermehrt wieder zurückgreift. Der Gin zum Beispiel, für den man derzeit Auszeichnung um Auszeichnung erhält, basiert auf einem Originalrezept aus dem Jahr 1888.
Bewährtes bewahren – Neues wagen
Diesem Familienerbe zollen Ivano Friedli-Studer und sein Sohn Saverio grossen Respekt. Das Verharren in alten Traditionen indes ist weder des Vaters noch des Sohnes Ding. «Viele dieser Rezepturen entsprechen schlicht und einfach nicht mehr dem heutigen Trinkgeschmack. Reichert man sie aber mit neuen Ideen an und interpretiert sie in moderner Weise, kann man durchaus den Nerv der Zeit treffen», sagt Ivano Friedli-¬Studer. So geschehen erst kürzlich mit dem «Nussknacker», einem Haselnusslikör. Durch die Zugabe neuer – natürlich geheimer – Ingredienzen entstand ein Likör, der, kaum auf dem Markt, für grosse Begeisterung sorgte und von einer internationalen Jury gleich zum Likör des Jahres gekürt wurde. Auszeichnungen sind sich die Studers gewohnt. Für ihre Obstbrände und Edeldestillate erhielten sie bis anhin über 200. Und zur Brennerei des Jahres wurde man ebenfalls schon mehrere Male gekürt.
Das Geheimnis des Erfolgs
Will man wissen, worin das Geheimnis dieses regelmässigen und langanhaltenden Erfolges liegt, zuckt Saverio Studer ratlos mit den Schultern und blickt fragend seinen Vater an. «Eigentlich wissen wir das auch nicht so genau», meint dieser. «Die wichtigste Voraussetzung dafür ist natürlich das Beherrschen des Handwerks. Destillieren erfordert viel Sorgfalt, Erfahrung und Leidenschaft. Ohne die Natur aber würde uns dies alles nichts nützen. Sie liefert uns die wichtigsten Grundlagen für unsere Produkte: sorgfältig kultivierte und ausgesuchte Früchte, Kräuter und Gewürze sowie reinstes Wasser aus eigener Quelle.» Für diese Dinge, fügt er weiter an, müssten sie jeden Tag dankbar sein. Vielleicht also liegt das Geheimnis des Erfolgs genau darin: in der Wertschätzung und dem Respekt gegenüber der Natur und dem Menschen.
Text: Dany Bucher
Photos: Erwin Windmüller