Der Käseflüsterer

Umringt von saftigen Wiesen produziert der Käser Willi Schmid im Toggenburg Käse, der in den weltbesten Restaurants serviert wird.

Willi Schmid tritt auf die Wiese, zieht die Socken aus und läuft barfuss übers Gras. Er ist zu Besuch bei Bauer Martin Senn, der ihm Milch für seinen Blauschimmelkäse Jersey Blue liefert. Die Jersey-Kühe scharen sich um den kräftigen Mann und wollen von ihm getätschelt werden. Es scheint, als ob sie wüssten, dass er es ist, der aus ihrer Milch den mehrfach preisgekrönten Käse herstellt. Welchen Käse er produziert, entscheidet er jeweils vor Sonnenaufgang, wenn die Bauern Kuh-, Schaf-, Büffel- und Geissmilch anliefern. Dann kostet er die Milch wie ein Sommelier. Erzählt von Vanillearomen und Berg-kräutern. «Ein schönes Röstaroma – die Kühe haben viele Gräser gefressen» Willi Schmid kennt jeden Bauern, jede Weide – ja sogar jede Kuh, die ihm Milch liefert. Eine Handvoll Bauern sind es, die Schmid täglich beste Milch liefern. Die Zusammenarbeit ist geprägt von Freundschaft und Respekt. Jeder Landwirt weiss auch, dass er seinen Auftrag gekündigt bekommt, wenn er nicht den geforderten Standard liefert.

Die Rinde der Bergfichte stammt aus benachbarten Wäldern und macht den gleichnamigen Käse besonders aromatisch.
Die Rinde der Bergfichte stammt aus benachbarten Wäldern und macht den gleichnamigen Käse besonders aromatisch.

Beste Milch: Rohmilch
Die Rohmilch ist sein Gold! Sie enthält gutes Fett und Eiweiss und erzeugt ein exzellentes Aroma. Die unbehandelte Milch findet auf direktem Weg vom Bauernhof in die Käserei. «Die Milch verliert ihren Charakter, wenn sie durch kilometerlangePipelines gepumpt wird. Das Eiweiss wird dadurch negativ beeinflusst» Also kippt Schmid sie innert Minuten nach der Anlieferung in den grossen Milchkessel. Die Arbeit mit Rohmilch erfordert Konzentration und Sorgfalt. «Käsen ist vor allem Gefühlssache» Gut riechen muss man können, verstehen, wie sich die Aromen in einem Käse entwickeln. «Es ist ein Naturprodukt, das nicht immer gleich ist» So muss Schmid beim Käsen ständig die Temperatur der Milch messen.

«Ich muss mich von der Masse abheben. Wo viele Elefanten sind, hat es mehr Platz für Mäuse. Ich zähle mich zu den Mäusen.» Willi Schmid
«Ich muss mich von der Masse abheben. Wo viele Elefanten sind, hat es mehr Platz für Mäuse. Ich zähle mich zu den Mäusen.» Willi Schmid

Denn wie bei einem guten Wein verändert sich die Milch mit unterschiedlichem Wärmegrad in Aroma und Konsistenz. Und weil er etwas ins Plaudern gekommen ist, hat sich sein Plan, aus der Jersey-Kuhmilch ei-nen weichen Tuma herzustellen, zerschlagen. «Die Milchsäurebakterien haben sich zu stark vermehrt, die Milch ist für einen Weichkäse zu sehr gereift», erklärt er. Also stellt er auf seinen berühmten Mühlistein um, einen halbharten Vollfettkäse. Während andere tagelang ihre Milch herumkarren, entscheiden bei Willi Schmid Minuten, ob die Milch für einen Käse perfekt ist.

Butterweich: Der Tuma-Käse vergeht auf der Zunge.
Butterweich: Der Tuma-Käse vergeht auf der Zunge.

Zart wie Karamell
Die Unstetigkeit bringt ihm Vielfalt. «Im Winter fressen die Tiere mehr Heu mit Röstaroma, das schmeckt in der Milch wie Karamell!» Er bereitet daraus seinen Bergmatter zu, einen Käse, der im Aroma an Brioche erinnert. «Schmeckt wie Foie gras, oder?» Ein kleines Stück reicht, um einen Aromafächer aufzuspannen. «Ein Käse muss einen runden Geschmack haben, der lange im Mund zurückbleibt» Wenn man Willi Schmid genau zuhört, wird schnell klar, dass es einem ein universelles Verständnis der Natur abverlangt, um zu einem sol-chen Genie zu werden. Er bringt alles zusammen: den Kreislauf der Natur, die Saison der Weiden, die natürlichen Aromen, die Tiere, Demut und Liebe. Willi Schmid ist Käser mit Laib und Seele.

Information 
Täglich verarbeitet Willi Schmid ca. 2000 Liter Milch. Je nach Käsesorte werden rund 500 Käse produziert, die während durchschnittlich zehn Wochen im Käsekeller reifen und in dieser Zeit von Hand mit Salzlake  geschmiert  werden. Gegenwärtig lagern über 3000 Käselaibe im Rei-fungskeller, bevor sie in die ganze Welt exportiert werden. Total rund 30 Tonnen werden unter an-derem nach Russland, ganz Europa und in die USA exportiert. Dort wer-den sie beispielsweise vom als bester Koch der Welt ausgezeichneten Schweizer Daniel Humm im Restaurant Nomad in New York City verwendet. Er serviert Jersey Blue, einen Blauschimmelkäse aus Jersey-Kuhmilch. Der Käse wurde mehrfach zum «World’s Best JerseyCheese» gekrönt.

 

willischmid.ch

Text: Myriam Zumbühl

Fotos: Henrik Nielsen