Marc, du bist gerade von den Paralympics in Paris zurück, wo du als Nationaltrainer drei Rollstuhl-Badminton-Athlet:innen – Ilaria Renggli, Luca Olgiati und Cynthia Mathez – begleitet hast. Wie geht es dir?
Ich bin glücklich und zugleich erschöpft. Die letzten Wochen waren aufregend und emotional, gekrönt von der Bronzemedaille im Einzel-Turnier durch Ilaria Renggli – ein riesiger Erfolg! Es waren aber auch lange, intensive Tage voller Eindrücke und Emotionen. Jetzt brauche ich etwas Erholung, um diese kräftezehrenden Wochen zu verarbeiten.
"Plötzlich standen über 6'500 Fans in der Halle und sorgten für eine unglaubliche Atmosphäre."
Was war der prägendste Moment für dich an den diesjährigen Paralympics?
Die grosse Unterstützung der Fans. Parabadminton ist eine Randsportart und normalerweise haben wir bei Wettkämpfen kaum Zuschauer:innen. Oft sind es nur Familienangehörige und ein paar Freunde. Doch bei den Paralympics in Paris standen plötzlich über 6’500 begeisterte Fans in der Halle und sorgten für eine unglaubliche Atmosphäre. So etwas habe ich noch nie erlebt. Als ich beim Auftaktspiel die Halle betrat, war ich überwältigt. Dieser Moment war für mich der emotionalste und prägendste. Auch das Medieninteresse war bemerkenswert und das trotz der Nischenposition unserer Sportart.
Wie erklärst du dir, dass die Fangemeinde in Paris so viel grösser war?
Meiner Meinung nach hat Paris eine ausgezeichnete Arbeit in der Vermarktung der Paralympics geleistet. Es war beeindruckend zu sehen, wie stark das Medieninteresse gestiegen ist. Medien wie das Schweizer Fernsehen haben deutlich mehr über die Paralympics berichtet, was die Reichweite erheblich vergrössert hat. Das hat sich direkt gezeigt – wir haben so viele Reaktionen und Unterstützung wie nie zuvor erhalten.
Mit Ilaria Renggli hat eine deiner Schützlinge eine Bronzemedaille für die Schweiz gewonnen. Was bedeutet dir dieser Erfolg persönlich und wie beeinflusst er dich als Trainer?
Dieser Erfolg ist etwas ganz Besonderes, denn wie wir im Nachhinein erfahren haben, wurde mit Ilaria Rengglis Bronzemedaille Geschichte geschrieben: Es ist die erste Badminton-Medaille, welche die Schweiz jemals bei Olympischen oder Paralympischen Spielen gewonnen hat. Das macht diesen Erfolg zu einer herausragenden Leistung. Ich bin sehr stolz auf Ilaria und dieser Erfolg motiviert mich als Trainer enorm. Er beweist, dass auch kleine Nationen wie die Schweiz mit den grossen Ländern, besonders aus Asien, mithalten können. Diese Medaille gibt uns Selbstvertrauen und zeigt, dass wir noch viel mehr erreichen können – ganz nach dem Motto: Jetzt erst recht!
Wie habt ihr diesen Erfolg gefeiert?
Zunächst gab es die offizielle Medaillenzeremonie im Stadion. Am darauffolgenden Tag wurden die Schweizer Medaillengewinner:innen im Garten der Schweizer Botschaft in Paris (Maison Suisse) geehrt. Dort fand eine kleine Feier statt, inklusive Fernsehinterviews und einem Apéro. Der krönende Abschluss war die Rückkehr in die Schweiz: Ilaria Renggli und die anderen Athlet:innen des Rollstuhlbadmintons wurden am Bahnhof von einer grossen Gruppe empfangen und gefeiert.
"Die grösste Herausforderung besteht darin, mit wenigen Ressourcen in einer Randsportart das Beste herauszuholen."
Welche Herausforderungen musstet ihr auf dem Weg zu dieser Bronze-Medaille in Paris gemeinsam meistern?
Die grösste Herausforderung liegt darin, bei einer Randsportart mit begrenzten Mitteln das Maximum herauszuholen. Finanziell und personell können wir mit grossen Nationen nicht mithalten. Während andere Länder über ein komplettes Staff-Team verfügen, bin ich als Nationaltrainer mit einem 50%-Job der einzige mit einer Anstellung. In grossen Nationen gibt es Leistungszentren, wo die Athlet:innen trainieren, essen und wohnen – etwas, wo wir weit davon entfernt sind. Trotzdem werden wir gut vom Verband RSS (Rollstuhlsport Schweiz) unterstützt, wodurch wir beispielsweise auch vom nationalen Leistungszentrum des Schweizer Paraplegikerzenter in Nottwil profitieren dürfen. Die bereits angesprochenen Einschränkungen haben auch Vorteile: Trainer und Athlet:innen arbeiten viel enger zusammen. So sind wir auf die Eigeninitiative der Athlet:innen angewiesen. Insofern ist unsere Situation sowohl Herausforderung als auch Chance.
SWISS Mitarbeiter und gleichzeitig Nationaltrainer im Rollstuhl-Badminton – wie bringst du alles unter einen Hut?
Als Nationaltrainer arbeite ich 50 %, bei SWISS 60 %. Der Schlüssel ist das Priorisieren. Zum Glück geniesse ich bei beiden Tätigkeiten eine gewisse Flexibilität. Wenn ein Turnier ansteht, widme ich mich eine Woche lang voll dem Nationalteam und arbeite in der Woche darauf verstärkt für SWISS. Ausserdem sind meine Athlet:innen wie bereits erwähnt sehr eigenständig. Diese Kombination macht mein Engagement überhaupt erst möglich.
Wie unterstützt dich SWISS in deinem Engagement als Trainer? Gibt es spezielle Vereinbarungen oder Flexibilität?
SWISS unterstützt mich auf zwei wesentliche Arten. Zum einen, dass ich die Möglichkeit habe meine Stelle in einem 60% Pensum ausführen zu dürfen. Zum anderen bietet mir SWISS eine grosse Flexibilität bei der Arbeit und die Möglichkeit, remote zu arbeiten. Ohne diese Unterstützung wäre meine Tätigkeit als Nationaltrainer kaum möglich. Darüber hinaus erfahre ich stetige Unterstützung und Verständnis von den Vorgesetzten und Mitarbeitenden bei SWISS. Während der Paralympics in Paris erhielt ich zahlreiche Glückwünsche und sogar einen internen Beitrag auf unserer Kommunikationsplattform Teams. Diese herzliche Unterstützung ist wirklich beeindruckend!
Werden wir dich an den Paralympics 2028 in Los Angeles wieder als Trainer unserer Badminton-Spielerinnen sehen?
Ich hoffe es! Wir werden alles dafür tun, dass wir uns wieder qualifizieren und die Schweiz in LA vertreten dürfen.
Nationaltrainer und SWISS-Mitarbeiter Marc
Marc Lutz ist bei der SWISS als Lead of the Community of practice for Product Owner im LHG Digital Hangar tätig. Gleichzeitig bekleidet er seit Februar 2021 die Position des Schweizer Nationaltrainers im Rollstuhl-Badminton. In dieser Rolle betreut er derzeit drei Athleten des Nationalkaders: Cynthia Mathez, Ilaria Renggli und Luca Olgiati. Besonders intensiv arbeitet er seit dreieinhalb Jahren mit Ilaria und Luca zusammen. Marc bringt eine beeindruckende Erfahrung von 25 Jahren im Badminton und 15 Jahren als Trainer mit. Schon als Junior sammelte er erste Erfahrungen im Rollstuhl-Badminton und hat sich seitdem kontinuierlich in diesem Bereich engagiert.