Wenn Träume wahr werden

New York – die Stadt der Träume. Doch was muss man tun, damit diese Träume auch in Erfüllung gehen? Simon Grendene weiss es. Der Schweizer Street-Art-Künstler hat im Big Apple seine Berufung zum Beruf gemacht.

Mann vor Kunstwerk
Simon Grendene lebt als Künstler und Grafikdesi¬gner in New York.

Der Stadtteil Bushwick in Brooklyn ist bekannt als florierendes Künstlerviertel. Touristen und Kunstliebhaber können dort an fast jeder Ecke und in zahlreichen Ateliers Malereien und andere Kunstwerke bestaunen. Als Simon Grendene vor knapp 15 Jahren nach New York kam, ahnte er noch nicht, dass seine Werke dereinst nicht nur die Fassaden und Wände in Bushwick, sondern auf der ganzen Welt schmü­cken würden.

Wandkunst in rot und gelb
Zeitraubend: Die Entstehung eines solchen Wandgemäldes kann bis zu zwei Wochen dauern.

Anders als geplant
Das künstlerische Gen bekam Simon Grendene mit in die Wiege gelegt. Seine Mutter war selbst Malerin, sein Vater Grafiker. So wundert es nicht, dass er das Zeichnen und Malen schon von klein auf als sein liebstes Hobby bezeichne­te. Nach dem Abschluss am Kunstgymnasium Liceo Artistico in Zürich bewarb sich Grendene an verschiedenen Kunsthochschulen. Auswahl­kriterium: Englischsprachig sollte sie sein. Nach Rundreisen in England und den USA entschied er sich für das Art Center College of Design in Kalifornien. Vor genau 20 Jahren begann er dort sein Studium. Dreieinhalb intensive und an­spruchsvolle Jahre dauerte die Ausbildung. Sein Plan damals: «Ich wollte mit einem internatio­nalen Abschluss in der Tasche wieder zurück in die Schweiz.» Doch wie so oft kam es anders. Die Jobangebote für den Schweizer nach seinem Abschluss mit Auszeichnung waren einfach zu verlockend. Er arbeitete in verschiedenen Wer­beagenturen als Grafiker, später auch als Art Director. Die Stadt seiner Wahl: New York City. Das erste Jahr an der Ostküste erlebte Simon Grendene wie im Rausch. «Eine wirklich inspi­rierende Stadt. Gerade für den kreativen Be­reich ist sie der ideale Ort, da es so viele Mög­lichkeiten gibt. Einfach ist es aber nicht, denn es gibt viele gute Leute  und  die  Konkurrenz ist gross. Doch ich hatte neben diesem Respekt trotzdem immer das Gefühl, dass alles mög­lich ist!»

Mann zeichnet
«Das Zeichnen schult uns darin, auf Details zu achten», sagt Simon Grendene.

Vom Grafiker zum Künstler
Der unerwartete Tod seines Vaters brachte den jungen Wahl­ New­ Yorker zum Nachdenken und er nahm sich eine Auszeit. Auf einer Weltreise wurde ihm bewusst:  «Kunst ist das, was ich schon immer machen wollte.» Wieder zurück in New York, tat er sich mit seinem damaligen Kol­legen Victor Anselmi zusammen und sie starte­ten mit ersten Siebdruckentwürfen im eigenen Keller ihr Street­-Art-­Geschäft.  «Wir wollten unsere Kunst  der  Öffentlichkeit  schnell  und einfach zugänglich machen. Inspiriert von der Strassenkunst, wählten wir  daher  das  Sieb­druckverfahren, um unsere Sujets leicht ver­vielfältigen zu können.» Ihre Werke spiegeln die Pop­-Art­-Kultur mit abstrakten Ikonen aus Werbung und Comics wider. «Mit den ersten Arbeiten plakatierten wir zunächst Wände und Fassaden in New York. Jedes Mal, wenn wir un­terwegs waren, nahmen wir  Bilder mit und hängten sie beispielsweise in den Strassen von Zürich, Florenz und Hongkong auf. So haben wir uns langsam einen Namen erarbeitet, bis wir 2011 unsere erste Ausstellung in Denver hatten.» Unter dem Titel «Down to Earth» wurden die Werke des Duos in der Black Book Gallery ausgestellt.
Wenn man den heute 42-­jährigen Schweizer trifft, sieht man sofort, dass er durch und durch Künstler ist. Die Jeans sitzt locker, darüber ein Kapuzenpulli  –  beides mit Farbspritzern be­kleckst. Aber er ist auch Geschäftsmann: «Um von der Kunst zu leben, muss man sie auch ver­markten können.» Und das machen er und vor allem sein Geschäftspartner Victor Anselmi sehr erfolgreich. 2012 entdeckte Modedesigne­rin agnes b. die Werke der beiden in den Stras­sen von New York und war so begeistert, dass sie mit ihnen an einer Modelinie arbeitete. Die­ser Kooperation folgte 2013 ein grosser Auftrag des schwedischen Unternehmens Spotify. Das Künstlerduoentwarf die Wandbilder für alle Konferenzräume des Streamingdienste-­Anbie­ters am Hauptsitz in New York  – der Durch­bruch!

Trenchcoat auf der Innenseite kunstvoll bedruckt
Ein Trenchcoat von agnes b.mit Werken von ASVP – eine limitierte Auflage von 1000 Stück wurde produziert und verkauft.

 

Ein Stück Heimat
Heute reicht der Keller schon lange nicht mehr aus, um die Nachfrage nach Bildern, Wandbemalungen, Leinwän­den  und  anderen  Kunstprojekten zu bedienen. Seit nunmehr sechs Jahren betreibt das Künstlerduo unter dem Namen ASVP ein Studio im Zentrum von Bushwick. Nebenbei arbeitet Gren­dene noch an verschiedenen Design­projekten, entwirft unter anderem Fir­menlogos und CD-­Cover. Doch so schönes ist, von dem zu leben, was man liebt, bleibt für den Schweizer in New Yorkdoch ein kleiner Wermutstropfen: «Im Herzen bin ich Europäer. Ich vermisse die Schweiz, die Natur, die Stille und natürlich meine Familie. Zwei­ bis drei­mal im Jahr fliege ich nach Hause, gehe segeln oder klettern und geniesse die Berge und die Seen.» Doch für die Mo­mente, wenn die Schweiz mal zu weit weg ist, hat er auch in New York einige Orte zum Entspannen gefunden. «Ich liebe das Wasser. Im Sommer geniesse ich die umliegenden Strände auf Rocka­way, Fire Island oder in Montauk.» An diesen Orten vergisst er kurz, dass um die Ecke New York wartet. Die Stadt, die niemals schläft, in der aber manche Träume tatsächlich wahr werden! 

Information: 

Simon Grendene und Victor Anselmi gründeten 2009 das Label ASVP. Mittlerweile ist das Künstlerduo unter diesem Namen international bekannt für seine grafischen Werke, die Werbung, Pop­ und Comicbuch­kultur mit organischer Ab­straktion mischen und ein­ander gegenüberstellen. Sieselbst bezeichnen ihren Stil als Pop Abstract Expressionism, abgekürzt Pop Abex. Die neus­te Werkserie «Super Matter» wirkt voller Energie, die mitdynamischen Gesten, starker Farbgebung und viel Bewe­gung erzeugt wird. «Unsere Werke sollen Denkanstoss sein, dass unantastbare Macht bröckelt und eine verantwor­tungsvolle Haltung in unserer Gesellschaft wichtig ist.»  

Text: Anja Beeler
Photos: Kyle Dorosz & Limor Garfinkle