Verreisen wir in die Ferien, kreisen unsere Gedanken in erster Linie um unsere Zieldestination. Wir buchen einen Flug und eine Unterkunft, packen Kleider und Utensilien und fahren an den Flughafen. Los geht’s! Viele von uns können sich nicht ausmalen, was Familien mit beeinträchtigten oder behinderten Kindern organisieren müssen, damit eine Flugreise überhaupt erst realisierbar ist. Dass es auch Menschen gibt, die eine solche Reise überhaupt nicht antreten können, weil die Hindernisse schlichtweg zu gross sind, ist für Nichtbetroffene kaum vorstellbar.
Jamie, der 18-jährige Sohn der Familie, ist auf einen elektrischen Rollstuhl angewiesen. Er ist an Muskeldystrophie Duchenne (DMD) erkrankt. Dies ist eine seltene Muskelerkrankung, die mit zunehmendem Muskelschwund einhergeht. Die Erkrankung beginnt im Kleinkindesalter mit einer Schwäche der Becken- und Oberschenkelmuskulatur und betrifft im Endstadium die Herz- und Atemmuskulatur. DMD schreitet langsam voran und verkürzt die Lebenserwartung erheblich. Sie ist genetisch bedingt und bislang nicht heilbar. Eines von 3500 Kindern – fast nur Jungen – trifft diese Erbkrankheit. Jamie ist ausserdem an Autismus erkrankt und spricht nicht.
Eine Flugreise in einer engen Kabine zusammen mit vielen anderen Passagieren ist für den grossen Flugzeug-Fan Jamie unvorstellbar. Umso mehr hat SWISS die Herausforderung angenommen, ihm eine Besichtigung eines Langstreckenflugzeuges zu ermöglichen. Der Airbus A330 HB-JHM war bestens dafür geeignet, da dieser gerade für eine A-Check-Wartung im Hangar stand.
Die Aufregung war auf allen Seiten gross als ein Team von SWISS die Familie mit ihren drei Kindern am Flughafen begrüsste. Die Familie wurde mit ihrem Fahrzeug direkt zum Hangar eskortiert. Mithilfe einer LKW-Hebebühne unseres Kabinenunterhalt-Teams konnte Jamie und seine Familie direkt auf Höhe der Flugzeugkabine transportiert werden.
Platznehmen in der First Class
Oben angekommen wurde Jamie in einen speziellen Flugzeug-Rollstuhl gesetzt. Mit diesem Rollstuhl ist der Durchgang durch die schmalen Sitzgänge der gesamten Kabine möglich. Zuallererst ging der Blick natürlich in Richtung Cockpit, wo die Familie mit grossen Augen alles begutachtete und Marcel Weber, Head of Check & Cabin Maintenance, die Knöpfe, Hebel und Bildschirme erklärte. In der First Class fiel das Augenmerk der Besucher sofort auf die grossen Passagiersitze. Natürlich durfte Jamie auf einem solchen Sitz Platz nehmen– und da wollte er am liebsten gar nicht mehr weg. Das Strahlen in seinem Gesicht war unbezahlbar und man konnte seine Freude und Begeisterung förmlich spüren. Es war ein bewegender und magischer Moment, indem sich Jamie mit der Welt der Flugzeuge auf eine Weise verbunden fühlte, die er sich vielleicht nie hätte vorstellen können.
Wir alle fühlten uns wie in luftiger Höhe auf dem Weg an eine schöne Destination und dank Jamies Lachen erschien alles ganz leicht. In diesen Minuten traten für Jamie und seiner Familie die vielen Hürden im Leben wohl ein wenig in den Hintergrund. Im Wissen, welche Herausforderungen die Familie Duvergé im Alltag meistern muss, erschien dieser Moment des Glücks und der Verbundenheit als unendlich kostbar.
Als wir wieder auf dem Hangarboden angelangt waren, flossen die Tränen der Freude. «Ich bin glücklich, dass Jamie diese einzigartige Erfahrung machen durfte und sich sein Leben für ein paar Momente wie Fliegen anfühlte», erwiderte die Mutter Daniela Duvergé. Auch wenn Jamie und seine Familie tagtäglich mit immensen Herausforderungen konfrontiert sind, ist die Lebensfreude und positive Kraft innerhalb der Familie spürbar und unglaublich beeindruckend.
«Ich bin glücklich, dass Jamie diese einzigartige Erfahrung machen durfte.»
Mutter von Jamie
Wenn wir das nächste Mal ein Flugzeug boarden, werden wir uns wohl in Demut an Jamie’s lachendes Gesicht erinnern.
Weitere Informationen
Verein Sternentaler: sternentaler.ch
Stiftung Duchenne Schweiz: duchenne-schweiz.ch
KMSK: kmsk.ch
SOS Kinderdorf: sos-kinderdorf.ch
Text & Bilder: Diego Oppenheim & Astrid Weibel, SWISS
Publikationsdatum: 29.06.2023