Freitag, 08:45 Uhr, Flughafen Amman, Jordanien. Die Sonne ist bereits über der Wüste aufgegangen und hat die morgendliche Frische des Orients vertrieben. Hier am Standplatz der Maintenance herrscht reges Treiben. «Auf ein Neues», sagt Markus Gubser, SWISS Ground Time Manager vor Ort. Er ist verantwortlich für die Wartung und Vorbereitung auf die Rückführung der SWISS Flugzeuge, die während der Corona-Pandemie hier stillgelegt wurden. Dazu zählt auch unser HB-JHH. Der Grund für unsere Anwesenheit: die Rückführung dieses letzten Airbus A330, der seit drei Jahren in Jordanien geparkt war. Schon bei unserer Ankunft erfahren wir, dass dies keine einfache Aufgabe sein werde.
Im Crew Hotel in Amman wird viel «Schwiizerdütsch» gesprochen. Hinter der Repatriierung steckt geballte SWISS Power. Bereits seit einigen Monaten sind neben Markus Gubser auch Jonas Dangel und Lukas Muther von SWISS Technics vor Ort. Und dann ist da noch die SWISS Crew, die wenige Tage vor dem Ferry Flight für die Qualitätskontrolle eingeflogen wird. Commander Markus Müller, First Officers Urs Wieser und Pascal Ganz, Flight Ops Engineer Michael «Mike» Gachnang sowie die beiden Maîtres de Cabine Franziska Mösch und Karin Grütter. Sie bilden ein eingespieltes Team. Mehrere Rückflüge haben sie bereits gemeinsam begleitet.
Groundcheck, Checkflight, Ferry Flight: Drei Schritte, drei Tage?
Erfahrung ist gefragt, denn die Reaktivierung der Flugzeuge erfordert zahlreiche Schritte. Ein Ground Check, ein Maintenance Check Flight (MCF) und dann der Rückflug. Drei Schritte, drei Tage, so hatten wir es geplant. Daraus wurde mehr als eine Woche. «Das ist nicht ungewöhnlich», sagt Flight Ops Engineer Mike. «Wir als Crew rechnen immer mit ein paar Tagen mehr, denn dafür sind diese Checks ja da. Kontrollieren, testen und wenn etwas fehlt oder nicht in Ordnung ist, muss es repariert werden und das heisst eben auch, auf Ersatzteile zu warten.»
Mike ist einer der vier OPS-Engineers, der SWISS Flieger nach einer grösseren externen Wartung wieder nach Hause begleitet. 27 Airbus A320, 38 Airbus A330/340 und 2 Boeing 777, erklärt er stolz. «Bei 100 kannst du dann in Pension gehen», scherzt Commander Markus. Er selbst hat einen persönlichen Bezug zum HB-JHH. «Es ist nicht nur das letzte Langstreckenflugzeug, das zurückgeflogen wird. Es ist auch die Maschine, die ich 2010 frisch vom Airbus-Hauptquartier in Toulouse in die Schweiz fliegen durfte.»
«Ich hatte bereits das Privileg, dieses Flugzeug fabrikneu bei Airbus in Toulouse abzuholen.»
Commander Airbus A330/340
Ersatzteile aus Los Angeles und 236 Sitze zum Testen
Bevor es wieder nach Zürich geht, wartet allein am Boden eine über 70-seitige Checkliste auf das Cockpit und die Kabine. Triebwerke, Stromversorgung, Hydraulik und viele andere Systeme werden auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft. «Drei Jahre Standzeit hinterlassen Spuren am Flugzeug», sagt Mike. In der Kabine hingegen kontrollieren die beiden Maîtres de Cabine, Karin und Franziska, 236 Sitze, Lavatories, Türen, Equipment und Galleys und geben Mängel an die lokale Maintenance weiter.
Die Tage sind lang. Am Freitag verbringt das Team zwölf Stunden auf dem Platz, und der Bodencheck ist noch nicht abgeschlossen. «Die Klimaanlage funktioniert nicht und uns fehlen Teile, die wir nachbestellen müssen», erklärt Markus. «Sogar aus Los Angeles kommen einige Parts.» Die Reise zieht sich hin, der Maintenance Check Flight kann erst in der folgenden Woche abgeschlossen werden.
Gut, ist die Stimmung im Team ungetrübt. Auch mit der lokalen Maintenance «Joramco» pflegt das SWISS Maintenance Team einen guten Kontakt. In den vielen Monaten in Jordanien sind Freundschaften entstanden. So begleitet SWISS Ground Time Manager Markus Gubser die Stilllegung und Rückführung der Flugzeuge seit 2020. Mit den Ferry Flights der letzten drei Airbus A320 bis im November ist die Aktion «Return to Ops» dann abgeschlossen und Markus und sein Team widmen sich wieder ihrer «normalen» Operations. Dazu gehören die grossen Wartungen, wie C-Checks und Heavy Maintenance Visits (HMV), die bei einem Airbus-Flugzeug alle sechs Jahre fällig sind. Auch unser HB-JHH hatte nach der langen Standzeit eine solche achtwöchige Wartung hinter sich.
Maintenance Checkflights - Fliegen am Limit
Mit den angelieferten Ersatzteilen geht es für die Crew am Dienstag weiter zum vierstündigen Checkflight im Raum Nikosia, Zypern. Der Flug findet wie der Bodencheck nach strengen Vorschriften statt. Mit der langen Checkliste werden Systeme und deren Redundanz kontrolliert, das Auslösen der Sauerstoffmasken, Flugmanöver mit 30 Grad Steigung, 15 Grad Sinken, eine Neigung von 67 Grad links und rechts und schliesslich noch ein Go-Around. Fliegen am Limit also. «So ein Checkflug ist nicht für jedermann und erfordert zusätzliches Training», erklärt Mike. «Ich empfehle bei den speziellen Manövern, in der Mitte des Flugzeugs zu sitzen – dort erträgt man die Bewegungen am besten.» Nach dem Debriefing mit Markus Gubser sowie den Technikern am Boden und weiteren zwölf Stunden ist der Tag vorbei und die Crew einmal mehr zufrieden mit dem guten Teamwork, welches unerlässlich ist für solche Flugzeugabnahmen.
«Solche Checkflights erfordern zusätzliches Training.»
Team Leader Flight OPS Engineers
Ferry Flight: auf zu neuen Abenteuern
Am Donnerstag ist es endlich soweit. Während die Sonne die Wüstenmetropole Amman langsam in goldenes Licht taucht und ein Hauch von Orient spürbar wird, hebt der HB-JHH in Richtung Zürich ab. «Es ist ein tolles Gefühl, ihm ein zweites Leben zu schenken. Es signalisiert der Belegschaft, dass es wieder aufwärts geht», freut sich Commander Markus.
Eines ist sicher. Das nächste Reiseziel wartet und unser HB-JHH wird wieder das tun, was er am besten kann: Fluggäste in die Ferne begleiten, ihnen einen unvergesslichen Flug bereiten. Und unsere Crews werden wieder im Einsatz sein, um ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Text & Images: Tanja Fegble
Published: 27.09.23