Majestätisch ragt der Gipfel des Pizols in die Dämmerung. Die zarten Rosa und Lilatöne des Sonnenuntergangs reflektieren auf dem Schnee. Ein gleissendes Licht durchbricht die Szenerie, ein Rattern zerreisst die Stille am Berg. Ein Pistenfahrzeug pflügt sich durch den Schnee und hinterlässt makellose Rillen, eine perfekt präparierte Skipiste. Am Steuer sitzt Peter Thut (51). Der Bad Ragazer ist ein Exot am Berg, denn im Sommer fliegt er als Commander eines Airbus A330 in die Metropolen im Nahen Osten, Indien oder in die USA. Im Winter tauscht er den Steuerknüppel des Passagierflugzeugs gegen das Steuer eines Pistenfahrzeugs, vorne bestückt mit einem Schneepflug und hinten mit einer Fräse. Ein Ungetüm aus Metall, Hydraulikschläuchen und Raupen, das den Namen «Rosie» trägt.
«Fliegen ist eine Herzenssache, genauso wie die Arbeit am Berg», sagt Thut, den alle nur «Tüte» nennen. Eine Restanz aus seiner Zeit als Militärpilot. «Auch andere haben tragende Namen wie Maverick oder Iceman», sagt er mit einem breiten Grinsen. Lachfalten zerfurchen sein Gesicht und zeigen, dass er gerne und viel lacht. «Für mich ist es ein Traum, dass ich als Pilot arbeiten und gleichzeitig meine Passion für die Skipisten leben kann – zwei Gegensätze, die perfekt zu mir passen.» Er blickt ins Tal. Es ist dunkel geworden. Die Lichter der Dörfer flackern in der Winterluft. «Ist es nicht schön?» fragt Thut, zückt sein Handy und schiesst ein Foto – eines von hunderten, die er von dieser Aussicht schon auf dem Handy gespeichert hat. Es sei ein Privileg, die Erde von oben zu sehen, ob aus dem Cockpit des Passagierjets oder vom Gipfel des Berges. «Von oben sieht die Welt aus wie eine Landkarte, nur besser. Ich kann nicht genug davon kriegen.»
«Von oben sieht die Welt aus wie eine Landkarte, nur besser.»
SWISS Captain Airbus A330
Zwei Leidenschaften dank Teilzeitvertrag
Möglich ist Thuts aussergewöhnliche Jokkombination dank eines Teilzeitvertrags bei SWISS. «Alle meine Teilzeittage ziehe ich im Winter ein und bin am Berg. Im Sommer, wenn bei SWISS Hochbetrieb herrscht, arbeite ich zu 200 Prozent als Pilot.» Eine Win-Win-Situation. Langstreckenpiloten wie Peter Thut können aus verschiedenen Teilzeitmodellen wählen. Vorgabe ist, dass ihre Qualifikationen gültig bleiben und sie die regelmässigen Checks fristgerecht absolvieren. Diese regelmässigen Checks sind von den Behörden vorgeschrieben und stellen sicher, dass Pilot:innen auch bei einem längeren Unterbruch nicht aus der Übung kommen.
Teilzeit zu arbeiten, bereichert nicht nur Thuts Leben. Die flexiblen Arbeitsmodelle ermöglichen es SWISS, das volle Potenzial ihrer erfahrenen Pilot:innen zu nutzen – denn Erfahrung ist ein Wert, der in der Fliegerei besonders hochzuschätzen ist. Die Pilot:innen haben gleichzeitig die Möglichkeit, ihre beruflichen Ambitionen mit anderen Lebensbereichen zu vereinbaren und neue Impulse und Motivation in ihren Alltag bei SWISS zu bringen. «Ich kann im Winter auch viel Zeit mit meiner Familie verbringen, bin tagsüber immer zuhause und am Abend kommt immer wieder mal einer meiner vier Buben mit. Das sind wertvolle Momente.»
Für ihn sei das Gleichgewicht wichtig, erklärt Thut seinen Entscheid zur Teilzeitarbeit. «Am Berg mag ich die stillen Momente, abseits der Hektik an Flughäfen. Pistenmaschine Rosie, der Schnee und ich. Das hat etwas Meditatives. In solchen Momenten sehe ich, wie wenig es braucht, um glücklich zu sein, ein Blick auf den Planeten Venus über dem Horizont, ein Sonnenaufgang.» Mit stoischer Ruhe und Präzision steuert er die wuchtige Pistenmaschine zentimetergenau an Abschrankungen vorbei, lässt sie kraftvoll eine steile Piste hochfahren. Präzision braucht er auch im Cockpit. Das reiche aber nicht, sagt der Mann, der von sich selbst sagt, dass er die grossen Maschinen spüre. «Ich schnalle mir das Flugzeug quasi an den Rücken, ich spüre es. Da gibt es Vibrationen, Töne. Pistnen wie auch Fliegen sind für mich mehr als einfach physikalische Vorgänge.»
Ein gebrochenes Bein weckte die Faszination
Peter Thut lebt zwei Bubenträume. Sein Grossvater baute die Bahn, die heute tausende Wintersportler auf den Pizol bringt. Als kleiner Junge schon verbrachte Thut viel Zeit in den Bergen. Mit sechs Jahren brach er sich das Bein, ein Unglück, das ihn zu seiner Leidenschaft für die Pistenmaschinen führte. «Ich durfte nicht raus und war wohl schwer auszuhalten. Meine Mutter band mir kurzerhand einen Plastiksack um den Gips und setzte mich zu einem Fahrer in ein Pistenfahrzeug, vielleicht auch um etwas Ruhe zu haben», sagt er mit einem Augenzwinkern. Danach verbrachte er jede freie Minute bei den Männern in den grossen Maschinen.
Peter Thut stammt aus einer Bauunternehmerfamilie und sein Vater hätte es gern gesehen, wenn er den elterlichen Betrieb übernommen hätte. Stattdessen entschied sich Thut, die Selektion zum Militärpiloten zu wagen. «Da stand nicht mal das Fliegen an erster Stelle, sondern einmal mehr die kraftvollen Maschinen», lacht Thut. So kam es, dass er nach erfolgreicher Ausbildung in einer Milizstaffel Helikopterpilot bei der Luftwaffe wurde. «Ich bin ein Teamplayer und wollte mit Menschen zusammenarbeiten und entschied mich deshalb für den Helikopter. Da arbeitet man im Gegensatz zum Kampfjet viel enger mit seiner Crew und den Hilfskräften zusammen.» 1995 entschied er sich dann für eine Laufbahn bei Swissair. «Ich hatte viel Glück im Leben und kann mich nicht daran erinnern, dass ich jemals lustlos zur Arbeit ging. Ich mache jeden Tag, was ich liebe. Ich bin tief überzeugt, dass diese Begeisterung mich auch im Job und als Teamstütze besser macht – im Cockpit wie auch im Pistenfahrzeug.»
Wenn der Schnee schmilzt, kann Thut es kaum erwarten, wieder in die Luft zu kommen. «Im Frühling kann ich Schnee nicht mehr sehen und freue mich wie ein kleines Kind wieder auf die Fliegerei und darauf, mit meinen Crews die weite Welt zu entdecken. Im Herbst wiederum kommt das Kribbeln, endlich wieder Schnee unter den Raupen zu spüren.» Sagt es und lässt Rosies Motor brummen, die Raupen setzen sich in Bewegung und Peter Thut macht sich an die Arbeit. Weit nach Mitternacht sind die Pisten glattgezogen – bereit für einen neuen Tag in den Schweizer Bergen.
Text und Bilder: Léa Wertheimer
Publikationsdatum: 09.02.2024