Eugen, was ist deine Rolle bei MeteoSchweiz und wie bist du zur Meteorologie gekommen?
Ich arbeite bei MeteoSchweiz als Meteorologe und Teamleiter im Prognosedienst und mache Wetterprognosen, Warnungen, Flugwetterdienst und das ganze Spektrum rundherum. Nach meinem ETH-Abschluss in Erdwissenschaften bin ich direkt zu MeteoSchweiz gekommen und seither als Meteorologe tätig. Das war 1995, auch schon eine Weile her (lacht). Zwischendurch war ich während knapp zwei Jahren als Bordmeteorologe auf zwei Forschungsschiffen rund um die Welt unterwegs. Die Dynamik des Wetters hat mich schon immer fasziniert. Zudem bin ich leidenschaftlicher Segler, daher kommt wohl ein Grossteil dieser Faszination. Beim Segeln ist man vom Wetter und besonders vom Wind abhängig und setzt sich intensiv damit auseinander.
Wie entstehen Wetterprognosen?
Das ist ein laufender Prozess, der stets mit dem aktuellen Wetter beginnt. Man muss verstehen, was gerade die wetterbestimmenden Systeme wie Fronten, Jetstream, Hochs und Tiefs sind. Mit der Analyse von Wetterkarten, Satellitenbildern, Radar und Messstationen erfassen wir die Grosswetterlage über Europa und dem nahen Nordatlantik. Da die Wetterdienste ihre Daten international austauschen, stehen uns weltweite Wetterdaten zur Verfügung. Von der Grosswetterlage geht danach der Fokus auf bestimmte Regionen und schliesslich auf einen Ort, zum Beispiel einen Flughafen. Für die lokale Prognose ist das Verständnis der übergeordneten Wetterlage wichtig.
Je weiter ich in die Zukunft hinausblicken will, desto mehr bin ich auf Modelle mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen angewiesen. Aus dieser Gesamtbetrachtung entsteht schlussendlich die Wetterprognose, wobei wir jene Prognose publizieren, die am wahrscheinlichsten ist. Da die verwendeten Wettermodelle bloss eine Vereinfachung der Naturprozesse sind, entsteht jeden Tag aufs Neue die Herausforderung, eine möglichst genaue Prognose zu erstellen. Es wird nie langweilig im Wetterdienst – und genau das mag ich so sehr daran.
«Am Flughafen Zürich allein haben wir elf Wetterstationen.»
Meteorologe und Teamleiter Prognosedienst
Für den Flugbetrieb ist das Wetter essenziell. Wen bedient ihr da mit welchen Informationen?
Für die Flugplanung sind die international standardisierten Wetterprognosen für Flughäfen sehr wichtig, die sogenannten Terminal Aerodrome Forecasts (TAF). Darauf basierend finden erste grundlegende Berechnungen für Treibstoffmenge oder «Alternate Planungen» von Ausweichflughäfen statt und sie helfen Pilot:innen abzuschätzen, ob sie beispielsweise mit einem Gewitter rechnen und entsprechende Vorbereitungen treffen müssen. Alle nach Zürich fliegenden Cockpit Crews lesen unsere TAFs. Für die grossen Flughäfen in der Schweiz sind das 30-Stunden-Vorhersagen, mit welchen auch jeder Langstreckenflug abgedeckt ist. Am Flughafen Zürich allein haben wir elf Wetterstationen, welche zusätzliche Daten wie Wolkenbasis und Sichtweite messen. Die Pisten verfügen über bis zu drei Messgeräte, beispielsweise um die Sicht oder den Wind in der "Touch-Down Zone" zu erfassen.
Morgens und nachmittags führen wir im OPC zusätzlich ein Briefing durch, wo unter anderem auch SWISS mit dem Dispatch und NOC dabei sind. Dabei wird das aktuelle Wetter besprochen sowie dessen Entwicklung in den nächsten Stunden in Zürich und Genf. Wenn es weltweit nennenswerte Wetterlagen gibt, zum Beispiel ein tropischer Wirbelsturm, sprechen wir auch diese an. Zudem bedienen wir Flugsicherungen mit Wetterdaten, insbesondere um grössere Gewitterzonen vorauszusagen, damit Lots:innen die betroffenen Zonen entsprechend entlasten können.
«Ich bin leidenschaftlicher Segler, daher kommt wohl ein Grossteil meiner Faszination fürs Wetter.»
Meteorologe und Teamleiter Prognosedienst
Und wie gelangt das Flugwetter schliesslich zu unseren Pilot:innen?
SWISS Pilot:innen haben üblicherweise ihre eigenen Systeme, auf welchen sie unter anderem auch unsere Messdaten und Prognosen abrufen können. Ab und zu kommen sie im OPC bei MeteoSchweiz vorbei und schauen sich die Übersichten an den Bildschirmen an. Gewisse Informationen bekommen sie hier besser dargestellt oder sie stellen uns direkt Fragen. Aber heute ist es schon so, dass Cockpit Crews viele Infos selbständig beziehen können, die man früher noch mühsam zusammenstellen oder erfragen musste.
Gibt es einen Tag in deiner Karriere, der dir aus meteorologischer Sicht in besonderer Erinnerung geblieben ist?
Ja, das habe ich definitiv! Das war der Orkan «Lothar» am 26. Dezember 1999. An dem Tag hatte ich Tagesdienst. 1999 hatten wir ohnehin schon sehr stürmische (Vor)Weihnachtstage erlebt, ausgelöst von mehreren Tiefdruckgebieten, die vom Atlantik zu uns nach Mitteleuropa gezogen waren. Eines dieser Tiefdruckgebiete entwickelte sich anschliessend viel stärker, als das unsere Modelle vorausgesagt hatten. Das heisst, man hat dieses Tief deutlich unterschätzt und erst am besagten Morgen die Ausmasse erahnen können. Das war aus meteorologischer Sicht sehr eindrücklich. Einen so gewaltigen Sturm erlebt man hoffentlich nur einmal in seinem Leben!
Vielen Dank, Eugen, für das spannende Gespräch!