Slädu, dein Lebenslauf ist vielseitig und spannend. Kannst du deine Karriere in einem Satz beschreiben?
Ein Satz ist sehr schwierig (überlegt). Ich hatte immer die Vision eine Karriere als Musiker zu verfolgen und habe schon viele Erfahrungen gemacht. Ich habe mit Schweizer Musikgrössen wie Bligg und DJ Bobo zusammengearbeitet, war mit der deutschen Band Tangerine Dream auf Tournee und habe kürzlich die Gitarrenparts für den Hollywood-Film «Max Dagan» geschrieben. Der Wille, meine musikalischen Träume zu verwirklichen, hat mich bis heute geleitet und geprägt.
Du bist am Anfang deiner Karriere in die USA gegangen, warum?
Als ich in den späten 1980ern in Los Angeles ankam, boomte die Rock’n’Roll Szene. Guns'N'Roses, Metallica, Bon Jovi und viele andere haben eine riesige Musikszene geschaffen. Die Energie und Leidenschaft der Amerikaner:innen für Musik haben mich stark beeinflusst. Dort wurde die Musikkarriere unabhängig von Ausbildung oder Studium akzeptiert, was mir in der Schweiz damals noch fehlte. Musik war ein «Butterbrot-Job».
"Musik war früher ein Butterbrotjob."
Schweizer Musiker
Wie hat sich der Job als Musiker:in in der Schweiz seit damals verändert?
Die Wahrnehmung von Musikkarrieren hat sich positiv verändert. Heute kann man in der Schweiz Popmusik studieren und erhält ein Diplom. Die Akzeptanz für den Beruf ist gestiegen und die Strukturen sind besser, obwohl der Musikmarkt sehr gesättigt ist.
Vielerorts fehlt jedoch die Zeit, um Musik zu machen und zu üben. Das Filigrane der Musik wird heute nicht mehr so geschätzt. Es ist nicht mehr wie früher, dass man ein Studio braucht, viel Geld ausgibt und am besten auch noch einen Plattenvertrag hat. Auf YouTube, TikTok, Instagram und Co. kann jeder seine "Ten Seconds of Fame" haben und sich in Szene setzen. Heute zählen Sound, Performance und Look.
Hat die Schweizer Musik an Qualität verloren?
Im Gegenteil, die Qualität ist gestiegen. Schweizer Künstler wie Joya Marleen, EZA oder Lo&Leduc liefern erstklassige Arbeit ab. Auch im internationalen Vergleich stehen wir gut da. Und was wir natürlich schon früh mit den Hits von Gölä beweisen konnten, ist, dass Mundartmusik in den Verkaufszahlen sogar grösser sein kann als internationale Acts.
Du hast mit Gölä den Hit "Schwan" produziert. Wie war das?
Das war eine spannende Zeit. Ich hatte damals mit Freunden eine Band, als Gölä mit seinen Texten zu uns kam. Er zeigte uns sein Material und brauchte Unterstützung bei der Umsetzung und Produktion. Wir produzierten das ganze «Uf u Dervo» Album unter Zeit- und Gelddruck der Plattenfirma. Sie stellte uns 12'000 Franken zur Verfügung und wir mussten innerhalb von drei Tagen ein Album fertig stellen. Das ging nur mit viel Vorbereitung vor den Aufnahmen. Und mit den gemachten Hausaufgaben sind wir dann zusammen ins Studio gegangen. Als wir den Song zum ersten Mal gehört haben, haben wir die Magie gespürt. Das Publikum war begeistert von "Schwan", das war der Grundstein für unseren Erfolg.
"Luca Hänni ist ein Duracell-Häsli."
Wie war es mit Schweizer Musikgrössen wie Bligg und Luca Hänni zusammenzuarbeiten?
Jeder Künstler hat seine Feinheiten und Stärken. DJ Bobo ist ein «Arbeitstier», er ist strukturiert und hat einen ausgezeichneten Geschäftssinn. Luca Hänni ist ein Duracell-Häsli. Mit ihm auf Tour zu gehen, war die lustigste Zeit. Ich habe die Band für ihn zusammengestellt und eng mit ihm zusammengearbeitet. Auch Bligg ist sehr organisiert und kreativ. «0816» und «Bart aber herzlich» - die Kreativität sieht man, wenn man sich die Cover anschaut. Jeder dieser Künstler hat mich auf seine Weise geprägt und mich inspiriert.
Vor kurzem hast du deinen ersten eigenen Song veröffentlicht. Ist Singer/Songwriter deine neue Rolle?
Ja, ich habe ein Lied geschrieben und gesungen mit dem Namen "Hie bi Üs". Ich habe gemerkt, dass man auf der Bühne eine ganz andere Wirkung hat, wenn man "das Muul uftuet", also selbst singt, als wenn man "nur" Gitarre spielt. Ich bin kein Meistersänger, aber darum geht es mir auch nicht. Ich will ich selbst sein, authentisch und eine Geschichte erzählen. Persönlichkeit kommt vor Perfektion.
Vielen Dank, Slädu, für dieses spannende Gespräch.
Titelbild: Maria Simon Photography
Text: Mike Beutler, Serra Sahin, Tanja Fegble
Published: 20.10.23