Herr Tami, Fussball hat Ihr Leben in vielerlei Hinsichten geprägt. An welchen Abschnitt Ihrer Fussballkarriere erinnern Sie sich am liebsten zurück?
Es gibt drei Phasen meiner Karriere, die mich besonders geprägt haben. Als erstes meine Zeit als Spieler, als ich in verschiedenen Mannschaften im Tessin spielen durfte und mit dem Team einen Cupfinal gewonnen habe.
In der zweiten Phase war ich als Trainer tätig. Angefangen als Trainer in meinem Dorf in Gordola, später dann aber auch bei Vereinen wie Lugano, Locarno und dem Grasshopper-Club (GCZ). Ein besonderer Moment war die Teilnahme mit GCZ an der Europa League. Zudem habe ich 2005 beim SFV begonnen. Dort war ich Nationaltrainer für die U16, U17, U19 und U21. 2011 haben sind wir mit der U21 sogar in Dänemark Vize-Europameister geworden. Ein weiteres Highlight.
Und schliesslich der letzte Teil meiner Karriere, nicht mehr als Spieler, nicht mehr als Trainer, sondern in der Führung des SFV als Direktor der Herren-Nationalmannschaften.
«Wenn wir eine starke A-Nationalmannschaft wollen, fängt unsere Arbeit viele Jahre vorher an.»
Direktor der Schweizer Nationalteams
Wie erleben Sie den Fussball heute, was hat sich für sie verändert?
Viel (lacht). Jeder Moment als Spieler, Trainer oder als Direktor ist unterschiedlich. Meine Arbeit ist heute ganz anders. Man kennt mich über meine Hauptaufgabe, die Begleitung der A-Nationalmannschaft. Aber mein Job ist nicht nur das. Ich begleite insgesamt acht Nationalmannschaften von der U15, U16, U17 bis zur A-Nationalmannschaft. Zudem betreue ich acht Nationaltrainer, fünf Team Operations Manager und habe ungefähr 50 Mitarbeiter:innen von Assistenten, Trainern, Torwarttrainern, Konditionstrainern, Physiotherapeuten bis zu Ärzten. Das ist eine grosse Gruppe, für die ich Ziele und Aufgaben definiere.
Was sind Ihre Aufgaben im Alltag? Können Sie uns einen Einblick geben?
Mein Job besteht aus drei Säulen. Die erste Säule sind die Nationaltrainer. Für mich ist wichtig, dass jeder Trainer weiss, wo wir die Nationalmannschaft sehen. Ich habe eine klare Schweizer Spielidee. Wenn wir eine starke A-Nationalmannschaft wollen, fängt unsere Arbeit viele Jahre zuvor an. Daher treffen wir uns regelmässig, um auch die Spiele und Entwicklungen aller U-Nationalmannschaften zu analysieren.
Eine zweite wichtige Säule ist das Scouting System. Wenn die Jungen in die U-Nationalmannschaften kommen, ist das nicht ein Ausschlusskriterium für alle andern. Wir verfolgen stets die besten Talente. Hierfür filmen wir fast alle Spiele der U15 bis U21. Mit diesen Videos können wir alle Spieler analysieren und generieren eine Datenbank.
Der dritte Schwerpunkt ist die Innovation. Das wichtigste Projekt in diesem Bereich ist «Take your Time». Dieses Projekt zielt darauf ab, jungen Spielern Zeit zu geben, die noch keine grossen Leistungen erbringen konnten, weil sie beispielsweise im Wachstum noch nicht so weit sind wie andere. Mit «Take your Time» geben wir den jungen Fussballern zwei bis drei Jahre Zeit, ihre Stärken zu entwickeln.
Wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen Leistung der Mannschaft?
Wir sind gut in diese Qualifikation gestartet. Jedoch entsprechen die Resultate momentan nicht der Leistung auf dem Platz. Wir machen gute Spiele, aber gewinnen nicht immer. Dennoch bin ich glücklich, dass wir trotz dieser Schwierigkeiten unser erstes Ziel erreicht haben, wir sind qualifiziert. Ich habe es schon x-mal im Fussball erlebt, dass Spieler und Trainer in schwierigen Zeiten ihre Ziele nicht erreicht haben. Wir haben aber unser grosses und wichtiges Ziel, die Qualifikation für die EM-Endrunde in Deutschland, erfüllt.
Welche Erwartungen haben Sie für die EM 2024?
Viele. Ein grosses Turnier ist auch eine grosse Chance für die Spieler. Einige haben solche Turniere schon erlebt, aber mit neuen Spielern streben wir immer eine Weiterentwicklung unserer Nationalmannschaft an. In den letzten Jahren haben wir viele Fortschritte gemacht, aber wenn wir zu den allerbesten von Europa gehören wollen, müssen wir noch viel Arbeit investieren.
Wir haben grosse Träume. Träume zu haben ist wichtig, aber wir müssen auch realistisch sein. Die Generation, die 2009 U17-Weltmeister wurde, kommt langsam an das Ende ihrer Karriere und über längere Zeit hatte sich die U21 nicht für ihre Endrunden qualifiziert, das heisst nicht alle Jungen, kennen diese Gewinnermentalität. Aber wenn wir mit der Nationalmannschaft weiterhin erfolgreich sein wollen, brauchen wir erfolgreiche Junioren mit genau dieser Mentalität.
«Wir haben immer Hunger.»
Fehlt die Gewinnermentalität aktuell?
Die Gewinnermentalität kommt, wenn man gewinnt oder zu den Besten gehört. Daher sind Teilnahmen an grossen Turnieren wie der Europameisterschaft wichtig. Jedoch kommt jetzt eine Generation, die diese Emotionen zu wenig erlebt hat. Das heisst nicht, dass wir keinen Hunger haben. Wir haben immer Hunger. Der nächste Schritt ist aber der schwierigste und er braucht viel Investitionen in die jungen Nationalteams. Die Tendenz ist aber positiv, den der Spiegel des Fussballs auf internationalem Niveau ist unsere U21, welche sich heute auf Platz 11 des UEFA-Ranking befindet. Heute finden sich viele dieser Spieler in der A-Nationalmannschaft wie zum Beispiel Amdouni, Ndoye, und Okafor.
«Mit SWISS als Partner sind wir natürlich verwöhnt.»
Reisen oder fliegen Sie gerne?
Wenn man viel unterwegs ist, wird das Reisen zur Gewohnheit. Aber ich fliege gerne, wenn ich in die Ferien gehe (lacht). Ich bin viel unterwegs, ob mit dem Auto, Zug oder Flugzeug. Manchmal wäre es aber auch schön, ein bisschen mehr in der Schweiz oder zu Hause zu sein. Aber das Reisen ist ein grosser Teil von meinem Job und mit SWISS als Partner sind wir natürlich verwöhnt. Es ist immer schön, mit euch zu fliegen.
Gibt es eine Erinnerung an einem Flug mit der Nationalmannschaft, welche Sie gerne mit uns teilen möchten?
Ich habe so viele (lacht). Aber als wir damals mit der Nati in Basel für den bevorstehenden SWISS Flug nach Budapest eintrafen, war es sehr windig. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie die Pilot:innen bei verschiedenen Bedingungen landen können. Sie müssen die Situation immer perfekt analysieren. Wenn wir eine schlechte Analyse machen, bekommen wir ein Tor, aber das Cockpit muss immer die richtige Entscheidung treffen.
Vielen Dank, Herr Tami, für das sehr interessante Interview.
Information
Der Schweizerische Fussballverband gehört zu den bedeutendsten Sportorganisationen des Landes. Als offizieller Airline-Partner fliegt SWISS die Teams der Schweizer Nationalmannschaft zu ihren Turnieren ins Ausland und wieder zurück in die Schweiz.
Text: Shannon Braun
Bilder: Fabian Michel
Publiziert am 21.12.2023