Wer das erste Mal nach Zürich kommt und von «Kreisen» hört, könnte meinen, er sei aus Versehen in einem Geometriekurs gelandet. Doch keine Sorge, die Sache ist halb so wild – auch wenn die Antwort auf eine Wegfrage gerne mal lautet: «Klar, die Bahnhofstrasse? Das ist in Kreis 1. Und fürs schicke Restaurant in Seefeld? Ab nach Kreis 8!» Während in den Vereinigten Staaten das einfache Prinzip der nummerierten Strassen regiert, bringt das Zürcher Kreis-System eine Portion Schweizer Originalität und gelegentlich Verwirrung mit sich.
Das Zentrum am See bildet Kreis 1, und je weiter man sich vom Wasser entfernt, desto höher werden die Zahlen. Wer das System noch nicht verinnerlicht hat, dem helfen die Einheimischen oder Google Maps gerne auf die Sprünge. Der Flughafen gehört keinem Kreis an, dafür bringt dich der Zug in zehn Minuten direkt ins Herz der Stadt. Doch genug von der Theorie – lassen wir die Mathematik links liegen und stürzen uns in das vielfältige Leben der 12 Zürcher Kreise.
Kreis 1 – Niederdörfli und Paradeplatz: Zürichs Schickeria hautnah
Los geht es im Zentrum der Stadt – Kreis 1. Hier begegnet man der Crème de la Crème Zürichs, die sich in der Confiserie Sprüngli am Paradeplatz feine Luxemburgerli gönnt, während Banker auf dem Weg zu John Baker ihr Gipfeli schnappen. Vom Hauptbahnhof führt die Shoppingstrasse über den Rennweg direkt ins Herz des Niederdörfli, wo Touristen und Einheimische sich die Klinke in die Hand geben. Im Winter locken Weihnachtsmärkte im Niederdörfli, am Hauptbahnhof und auf dem Sechseläutenplatz am Bellevue mit Glühwein, Marroni und Speisen aus aller Welt. Abends lädt der Zeughauskeller zu traditionellen Zürcher Gerichten ein - auch für das kleine Portemonnaie. Kulturinteressierte können im Landesmuseum die faszinierende Schweizer Geschichte erkunden oder das Kunsthaus Zürich mit seiner beeindruckenden Sammlung von Klassik bis Moderne besuchen.
Kreis 2 – Enge bis Wollishofen: Die lässige Seeseite
Im Kreis 2 präsentiert sich der Zürichsee von seiner entspannten Seite. Was früher als weniger schick galt – gegenüber liegt die prestigeträchtige Goldküste mit ihren Villen – hat sich heute zu einem beliebten Viertel für Studenten und Expats entwickelt. Im Sommer laden die Rentenwiese in Zürich Enge und die Landiwiese in Wollishofen zum erfrischenden Sprung ins kühle Nass ein (Geheimtipp: Mit dem Schiff vom Bürkliplatz nach Wollishofen). Ein echtes Highlight sind die Tavolata-Menüs der jungen Küchencrew im Old Inn beim Bahnhof Zürich Enge - unbedingt probieren: Scotch Eggs und BBQ-Blumenkohl.
Kreis 3 – Hip und naturverbunden: Wiedikon und der Uetliberg
Der Kreis 3 ist ein Schmelztiegel der Kontraste: Kunst, Natur und Zürcher Charme pur. Vom Triemli geht es steil hinauf auf den Uetliberg, den Hausberg der Stadt. Wer es gemütlicher mag, fährt vom Hauptbahnhof mit dem Zug hinauf und geniesst oben das Panorama. Im Uto Stafel wartet dann das beliebte Gericht „Zürcher Geschnetzeltes mit Butterrösti“. Wieder unten angekommen, lockt das urbane Wiedikon mit trendigen Adressen wie dem Grand Café Lochergut und der Gelateria di Berna, wo du dich für den nächsten Aufstieg oder die nächste Party stärken kannst.
Kreis 4 – Party-Hotspot Langstrasse
Kreis 4 ist das pulsierende Herz des Zürcher Nachtlebens. Die Langstrasse bietet eine unendliche Auswahl an Bars und Clubs, darunter die Olé Olé Bar und der Club Zukunft. Wer vor dem Feiern seine Batterien aufladen will, ist im Hiltl beim Hauptbahnhof, dem ältesten vegetarischen Restaurant Europas, genau richtig. SWISS Langstreckenpassagieren dürfte das vegetarische Essen ein Begriff sein, wird es doch auf interkontinentalen Flügen in der Economy Class serviert. Tagsüber lädt die Bäckeranlage zum Chillen ein, und für den unvermeidlichen Katerbrunch sind die Bank oder das Kafi Dihei die besten Adressen. Nach einem genussvollen Tag lässt sich der Abend im Hammam Spa des Volkshaus am Helvetiaplatz perfekt ausklingen.
Kreis 5 – Industrieflair und Erfrischung im Fluss
Im Kreis 5 trifft Industriecharme auf Badespass. Der Obere und der Untere Letten in der Limmat, dem Zürcher Fluss, sind der ideale Ort, um an heissen Sommertagen ins kühle Nass zu springen. Einmal im Jahr, im August, findet hier das berühmte Limmatschwimmen statt, und Anfang Dezember gibt es für Mutige das Samichlausschwimmen. Wer genug vom Wasser hat, sollte das Clouds im Prime Tower besuchen - Drinks und Aussicht inklusive. Ein paar Meter weiter, im Gerolds Garten, kann man in gemütlicher Atmosphäre feine Grilladen und im Winter Fondue und Raclette geniessen. Und wer noch weiter bummeln will, findet unter den Viaduktbögen coole Läden und die Markthalle IM VIADUKT mit regionalen Produkten.
Kreis 6 – Studierende, Döner und Aussicht
Kreis 6 ist das Universitätsviertel Zürichs. Hier studieren und entspannen die hellsten Köpfe der Stadt. Nach einem langen Tag an der ETH oder der Uni Zürich gönnt man sich auf der Polyterrasse einen Döner – ein unerwarteter, aber köstlicher Teil der Zürcher Esskultur. Abends laden das Moudi’s Garten oder das vietnamesische Restaurant Hangs zu einem entspannten Ausklang bei feinem Essen ein. Und die Aussicht vom Universitätsgelände? Einfach grandios!
Kreis 7 – Märchenhotel und wilde Tiere
Kreis 7 bietet märchenhaften Luxus und wilde Abenteuer. Das renommierte Dolder Grand, ein Lieblingsort internationaler Stars wie Justin Bieber und Adele, thront wie ein Schloss über der Stadt und bietet einen königlichen Brunch mit Champagner und Sushi. Etwas freundlicher fürs Portemonnaie geht es 10 Minuten zu Fuss durch den Wald rustikaler zu: In der Wald- und Wiesenbeiz Adlisberg wird Hausmannskost inmitten der Natur, oder besser gesagt im umgebauten Stall, serviert. Und wer sich über Löwengebrüll wundert - der Zoo Zürich ist ganz in der Nähe. Im Winter ist die Dolder Eisbahn mit festlich geschmücktem Tannenbaum in der Mitte ein beliebtes Ausflugsziel.
Kreis 8 – Seefeld: Wo das Leben schön und teuer ist
Kreis 8 ist Zürichs Schaufenster für Luxus und Lebensfreude. Das Seefeld lockt mit schicken Wohnungen, erstklassigen Restaurants und der malerischen Promenade am See (Must-try: Gelati am See im Sommer oder Marroni von den Ständen im Winter). Die Chinawiese lädt zum Flanieren und Picknicken ein, während die Fischerstube mit fangfrischem Fisch aus dem Zürichsee begeistert. Für ein aussergewöhnliches kulinarisches Erlebnis empfiehlt sich ein Besuch in der Blinden Kuh – einem Restaurant, in dem man im Dunkeln speist und sich auf seine Sinne verlässt.
Kreis 9 – Konzerte, Fussball und kulinarische Weltreise
In Kreis 9 wird es sportlich und musikalisch. Das Letzigrund-Stadion ist die Fussballheimat des FC Zürich und der Grasshoppers und Schauplatz für hochkarätige Konzerte wie Taylor Swift oder Coldplay. Kulinarisch bietet das Gebiet rund um Altstetten und Albisrieden eine Reise um die Welt – vom Ooki mit seinen Ramen-Nudeln über neapolitanische Sauerteigpizza im Alba bis hin zu mexikanischen Köstlichkeiten im La Tequeria und äthiopischen Injeras im Mesob.
Kreis 10 – Wipkingen: Bars und Panorama für Geniesser
Kreis 10, insbesondere Wipkingen, ist der Geheimtipp für alle, die es gemütlich mögen. Lauschige Cafés (Kafischnaps und Café des Amis), entspannte Atmosphäre und die fantastische Aussicht vom Hönggerberg machen diesen Kreis zu einem der lebenswertesten. Kulinarische Höhepunkte bietet das Restaurant Waid mit seiner Panorama-Terrasse, einer asiatischen Wok-Küche und der traditionellen Jahreszeiten-Küche.
Kreis 11 – Oerlikon: Wo Kultur und Kulinarik sich treffen
Kreis 11, auch bekannt als Zürich Nord, ist fast eine eigene Stadt. Hier ist das Schweizer Fernsehen sowie der bekannte Biber vom Leutschenbach zuhause, mittags treffen sich ältere Herren im Stadtkern zum Boccia spielen, während sich andere zum After-Work-Drink im Zum frischen Max verabreden. Kulinarisch überzeugt der Kreis mit dem SimSim oder dem Schnitzel Huus – von orientalisch bis zünftig ist alles dabei.
Kreis 12 – Schwamendingen: Natur pur und ein Geheimtipp für Geniesser
Kreis 12 – Schwamendingen – mag der unbekannteste Kreis Zürichs sein, aber genau das macht seinen Charme aus. Oft zu Unrecht als unpopulärster Ort von Zürich verkannt, bietet Schwamendingen in Wirklichkeit Natur, Ruhe und Entspannung. Ein Spaziergang entlang des Käferbergs zur Wirtschaft Ziegelhütte lädt zum Abschalten ein. Die regionalen Spezialitäten im charmanten alten Bauernhaus überzeugen mit kreativer und klassischer Küche, darunter Cordon Bleu und Randen mit Belugalinsen und Haselnuss-Chili-Krokant.
Herumkommen
Der Hauptbahnhof Zürich ist vom Flughafen Zürich mit dem Zug in ca. 10 Minuten erreichbar. Mit der Zürich Card (29 CHF für 24h) lässt sich die Stadt mit Tram, Bus, Bahn, Schiff und Seilbahn erkunden. Zudem gibt es mit der Karte ermässigte oder kostenlose Eintritte und Goodies für Kunst und Kultur in Zürich.
Reisezeit
Zürich ist das ganze Jahr über eine Reise wert: Frühling und Herbst bieten milde Temperaturen und schöne Natur, der Sommer ist ideal für Outdoor-Aktivitäten und Festivals und der Winter ist perfekt für Weihnachtsmärkte, kulinarische Entdeckungen und festliche Stimmung in der Stadt.
Text: Tanja Fegble
Bilder: © Zürich Tourismus
Veröffentlicht am 12. September 2024